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Ukraine-Konflikt: Frau aus Kassel berichtet von der Situation vor Ort

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Von: Kathrin Meyer

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Lebt seit 2009 in Kassel: Iryna Höhmann stammt aus Tschernihow, eine Großstadt mit 300.000 Einwohnern 140 Kilometer von Kiew entfernt. Derzeit besucht sie ihre Familie in der Ukraine.
Lebt seit 2009 in Kassel: Iryna Höhmann stammt aus Tschernihow, eine Großstadt mit 300.000 Einwohnern 140 Kilometer von Kiew entfernt. Derzeit besucht sie ihre Familie in der Ukraine. © Privat

Iryna Höhmann aus Kassel ist derzeit in der Ukraine. Sie berichtet von der Stimmung im Land während des aktuellen Konflikts.

Kassel/ Tschernihow – Iryna Höhmann aus Kassel besucht seit Weihnachten ihre Familie in der Ukraine. Nun berichtet sie von der Stimmung während des aktuellen Konflikts. Die 33-Jährige, die lange im Café Nenninger gearbeitet hat, ist ursprünglich 2009 der Liebe wegen nach Deutschland gekommen und trotz Trennung in Kassel heimisch geworden. Ihre Mutter und einige Verwandte leben noch in ihrer Heimat Tschernihow. Die Großstadt mit etwa 300.000 Einwohnern ist 70 Kilometer von Tschernobyl entfernt. Eigentlich sollten es ein paar entspannte Wochen werden, ihren Rückflug hat Iryna Höhmann für Mitte Februar gebucht.

Bis Anfang der Woche war es das auch, erzählt sie am Telefon. Aber jetzt spitze sich der bewaffnete Konflikt zwischen Russland und der Ukraine immer mehr zu.

Warnungen in Schulen und Kindergärten vor Sprengstoff

Am Montagmittag sei ihre Mutter, die in einer Schule arbeitet, nach Hause gekommen und hätte ihr erzählt, dass es in allen 36 Kindergärten und Schulen der Stadt einen Alarm gegeben habe. In einer Nachricht sei mitgeteilt worden, dass in den Einrichtungen Sprengstoff versteckt sei. Die Eltern seien gebeten worden, ihre Kinder abzuholen. Überall seien Polizisten gewesen. „Die Kinder haben geweint, hat meine Mutter erzählt. Einige sind panisch gewesen und haben gesagt, jetzt kommt der Krieg“, sagt Iryna Höhmann.

Wer genau hinter diesen Warnungen steckt und was es damit auf sich hat, das weiß sie am Montag selbst noch nicht. Am Dienstag schreibt sie, dass man in den Schulen und Kindergärten keine Sprengsätze gefunden habe. Es habe Warnungen in mehreren Städten gegeben. Offenbar sollen dahinter russische Gruppierungen stecken, so hat es Höhmann gehört.

Waren Sprengstoff-Drohungen nur dazu da, um psychischen Druck auf die Menschen auszuüben?

Die Kasselerin vermutet, das Ansinnen hinter den Drohungen ist, psychischen Druck auf die Menschen auszuüben. Sie sollen den Eindruck bekommen, dass die Lage instabil wird. Bei vielen habe man das auch geschafft.

Zur konfliktreichen russischen Grenze sind es von Höhmanns Heimatstadt 88 Kilometer, zur weißrussischen 110. „Mein Onkel fährt einmal in der Woche an die weißrussische Grenze zum Angeln, am Montag allerdings wurde er von der Zollwache weggeschickt“, erzählt Höhmann. Man habe ihm gesagt, es könne jede Sekunde losgehen, er solle nach Hause gehen, weil es dort zu unsicher sei.

Vereinzelt sind Soldaten in der Stadt

Ein bisschen hat Höhmann das Gefühl, dass sich das Ganze in den vergangenen Wochen schon angedeutet hat. „Es war sehr, sehr ruhig. In den vergangenen Jahren gab es zum Jahreswechsel immer ein großes Feuerwerk, jetzt saßen alle leise zuhause. Ganz anders, als man es gewohnt ist. Auch geht aktuell kaum jemand nach draußen. Und dafür ist das Coronavirus, von dem die Ukraine stark betroffen ist, nicht der Hauptgrund.“

In der Stadt sieht man vereinzelte Soldaten. Nicht ungewöhnlich viele und ohne Waffen, beschreibt Höhmann die Situation in Tschernihow. Am Dienstag habe es einen Sirenenalarm gegeben. „Wenn die Russen in die Ukraine eindringen, sollen die Menschen so wissen, dass sie sich in Sicherheit bringen müssen.“

Kasselerin war auch zu Beginn des Ukraine-Konfliktes in ihrer Heimat

Höhmann war auch 2014 zu Beginn des Ukraine-Konfliktes in ihrer Heimat. „Seitdem machen uns die Russen fertig“, sagt sie. „Aber jetzt ist die Lage weitaus ernster. Aber was wirklich passiert, das weiß nur der Russe.“ Sie persönlich habe aber jetzt kein gutes Gefühl, beschreibt es die passionierte Sportlerin.

Wie gehen die Menschen vor Ort mit der Situation um? „Viele heben ihr Geld vom Konto ab“, sagt Höhmann. Gerade am Montag seien vor der Bank Schlangen gewesen. Auch würden sich viele einen Vorrat an Lebensmitteln anlegen, aber es sei kein Vergleich mit den Hamsterkäufen in Deutschland zu Beginn der Pandemie.

Kasselerin ist trotz Situation in der Ukraine noch entspannt

Höhmann selbst ist bisher noch relativ entspannt, wie viele ihrer Freunde auch. „Noch ist es kein so großes Thema. Ich denke, man kann es aber auch hier einfach noch nicht so richtig fassen.“

In Tschernihow sind viele junge Männer in den vergangenen Jahren an der Front gestorben, aber für die Menschen gehört das zum Alltag, sie leben damit, so das Gefühl von Höhmann. Man wisse, dass in Donezk und Lugansk geschossen werde, aber für viele ist das weit weg.

Familie der Kasselerin hat Notfallplan

Sollte sich die Situation zuspitzen, würde Höhmann mit ihrer Familie mit dem Auto über die polnische Grenze nach Deutschland fahren wollen. Auch ihre Mutter habe schon Geld abgeholt und Vorräte besorgt und das Auto vollgetankt. Auch Taschen mit dem Wichtigsten sind gepackt. „Noch bleibe ich dabei und nehme meinen Rückflug am 12. Februar“, sagt sie. (Kathrin Meyer)

Die östlichen Bündnispartner fordern, dass Deutschland der Ukraine auch tödliche Waffen liefert. Eine Umfrage zeigt: Die Mehrheit der Deutschen lehnt dies ab.

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