Singen lässt Stottern verschwinden: Marvin Holl fühlt sich im Schlager wohl

Ein Kinderfoto, über zehn Jahre alt, zeigt Marvin Holls frühe Leidenschaft für die Schlagermusik: Ein kleiner Junge mit wilder Wolfgang-Petry-Mähne klatscht breit grinsend zur Musik. Heute tritt der 26-jährige Kasseler ohne Perücke auf, stattdessen mit einstudierten Coversongs und professioneller Selbstsicherheit. Aus einem Wolfgang-Petry-Fan ist ein Sänger geworden.
„Ich war schon immer stark mit der Musik verbunden, weil sie mir einen Weg gezeigt hat, wie ich mit meiner Behinderung besser klarkomme“, sagt Holl. Nach einem epileptischen Anfall in seiner Kindheit stottert er. Nur beim Singen verschwindet das Sprachproblem. „Seitdem fühle ich mich dem Schlager verbunden.“
Durchbruch beim Talentwettbewerb der Schule
Trotz der frühen Begeisterung hat der 26-Jährige erst am Ende seiner Schulzeit entdeckt, dass auch in ihm ein Schlagersänger steckt. Der Auslöser war ein Talentwettbewerb. „Ein Lehrer hatte gefragt, ob ich dort nicht einen Song singen würde, weil er schon gesehen und gehört hat, dass es mir Spaß macht“, erzählt Holl. Seine Performance von „Ich bau dir ein Schloss“ beeindruckte selbst die Lehrer, die ihn vorher unterschätzt hatten. „Es gab manche Lehrer, die nicht mit meinem Sprechproblem zurechtkamen“, sagt Holl. Beim Talentwettbewerb holte er den ersten Platz. „Dann haben die Leute erst mal gesehen, was ich kann“, sagt Holl.
Aktion Mensch unterstütze eigene CD
Auf den Vorschlag seines Lehrers nahm Holl nach der Schule an einem Workshop des Vereins Klang Keller teil. „Der Leiter vom Klang Keller war sofort begeistert“, erinnert sich Holl. Er habe auch organisiert, dass Marvin Holl mit Unterstützung von Aktion Mensch seine erste CD mit eigenen Texten zu bekannten Schlager-Liedern aufnehmen konnte. „Durch den Klang Keller bekam ich auch Lust, etwas mehr vor Live-Publikum zu singen.“
Auftritte bei Reiner-Irrsinn-Shows und Special Olympics
Seitdem fühlt Holl sich auf Bühnen wohl: In Aufführungen einer Schauspielschule, die er durch seine Arbeit in einer Werkstatt besuchen durfte, in der Musikschule des Kasseler Pop-Duos Milky Chance, in Reiner-Irrsinn-Shows mit dem Musiker Dirk Schaller aus Homberg, den Holl bei Schlagerkonzerten kennenlernte, oder Live Streams von Konzerten. Ganz besonders war es für Holl, 2018 mit seinen liebsten Cover-Songs bei den nationalen Special Olympics auf der Bühne zu stehen. Special Olympics und die zugehörigen Landes- und Bundesspiele sind Teil einer weltweiten Sportbewegung für Menschen mit geistiger Behinderung und Mehrfachbehinderung, die offiziell vom Internationalen Olympischen Komitee anerkannt ist. Auch bei den diesjährigen Spielen in Berlin ist Marvin Holl wieder eingeladen.
Sänger will eigene Songs schreiben
Für diesen Auftritt hat Holl ein besonderes Ziel. „Ich würde sehr gern noch mehr mit meiner eigenen Musik auftreten“, sagt Holl. Bisher sei er häufig mit Liedern von Norman Langen oder Wolfgang Petry aufgetreten, Liedern über Freundschaft, „Texten, die das Leben schreibt“. Doch auch er selbst will mehr solcher Zeilen schreiben. „In vielen Texten meines ersten Albums geht es um Freundschaft“, sagt Holl. Davon hat der aufstrebende Sänger noch sehr viel mehr zu erzählen.
Noch ist Holl auf der Suche nach einem Songschreiber oder Musikproduzenten, der ihn mit der Musik unterstützt. Er hat bisher niemanden gefunden – bleibt aber optimistisch. Schließlich konnte er sich auch bisher immer beweisen. Wer sich davon überzeugen oder mit Marvin Holl in Kontakt treten will, findet ihn über seine Facebook-Gruppe „Marvin Holl, Schlager“ oder den YouTube-Kanal „marvinholl28“.
Von Alina Andraczek