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Freispruch für junge Mutter: Gericht sieht keine zweifelsfreien Beweise für Kindstötung

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Von: Ulrike Pflüger-Scherb

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Eine 19-Jährige wurde vor dem Landgericht Kassel freigesprochen.
Eine 19-Jährige wurde vor dem Landgericht Kassel freigesprochen. © Frank Rumpenhorst/dpa

Eine 19-Jährige steht wegen des Vorwurfs der Kindstötung vor dem Landgericht Kassel. Im Prozess ist jetzt ein Urteil gefallen.

Kassel - Der Tod eines Jungen kurz nach seiner Geburt vor einem Jahr im Werra-Meißner-Kreis hat keine juristischen Konsequenzen für seine Mutter. Am Donnerstag wurde die 19-Jährige vor der 1. Strafkammer des Kasseler Landgerichts freigesprochen.

Ursprünglich war die Frau wegen des Verdachts des Totschlags angeklagt worden. Die Hauptverhandlung habe zwar ergeben, dass der Junge fünf bis 30 Minuten nach seiner Geburt gelebt habe und dann durch eine Strangulation der Nabelschnur, die zweifach um seinen Hals lag, gestorben sei, so der Vorsitzende Richter Dreyer. Die Strangulation könne aber auch ohne das „aktive Zutun“ der Mutter geschehen sein. Es sei durchaus möglich, dass das Baby, das nach Angaben der Mutter auf der Toilette zur Welt kam, sich durch sein Eigengewicht selbst stranguliert habe.

Freispruch bei Kindstötung-Prozess: Tragischer Fall statt Verbrechen

Der Vorsitzende Richter sprach von einem tragischen Fall mit „einer Verstrickung äußerst seltener Umstände“. So habe die Angeklagte wohl nicht erkannt, dass sie schwanger ist. Das komme in Deutschland 350 bis 400 Mal im Jahr vor, so der Richter. Selbst bei Frauen, die zuvor schon ein Kind zur Welt gebracht hätten. Hinzu komme, dass auch nicht das Umfeld der jungen Frau, weder Familie noch eine Freundin, deren Schwangerschaft wahrgenommen hätten. Darüber hinaus sei es ein Zufall gewesen, dass weder die Eltern noch der Bruder, mit denen die Angeklagte zusammenlebt, in der Nacht zum 7. März vergangenen Jahres zu Hause waren – in jener Nacht, als das Baby geboren wurde, mit der Nabelschnur um den Hals gewickelt. Das komme immer wieder vor, wenn auch selten.

Die Angeklagte hatte vor Gericht erklärt, sie sei davon ausgegangen, dass das Kind bei der Geburt tot gewesen ist. Sein Gesicht sei grau gewesen, es habe nicht geschrien oder geatmet. Zudem habe sie viele Erinnerungslücken an die Geburt. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagte vor Gericht gelogen habe, so der Vorsitzende. Mit Blick auf den Zustand der jungen Frau bei der Geburt schloss das Gericht auch andere Straftatbestände, wie zum Beispiel unterlassene Hilfeleistung, aus.

Mit dem Freispruch folgte das Gericht den Anträgen von Staatsanwältin Kaiser und Verteidigerin Leyhe. Ihre Mandantin habe den Freispruch mit großer Erleichterung aufgenommen, sagte die Anwältin. Nach dem Urteil habe sie nun die Möglichkeit, sich auf die Trauerarbeit zu konzentrieren. (Ulrike Pflüger-Scherb)

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