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Kinderarzt Arnulf Schacht war für seine behutsame Art bekannt

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Von: Matthias Lohr

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Zwölf-Stunden-Tage waren normal: Kinderarzt Arnulf Schacht hatte eine Praxis in Kirchditmold und leitete das Kinderkrankenhaus „Zum Kind von Brabant“.
Zwölf-Stunden-Tage waren normal: Kinderarzt Arnulf Schacht hatte eine Praxis in Kirchditmold und leitete das Kinderkrankenhaus „Zum Kind von Brabant“. © Privat/nh

Arnulf Schacht war ein ganz besonderer Kinderarzt: Neben seiner Praxis leitete der Kasseler auch viele Jahre eine Kinderklinik. Nun ist er gestorben.

Kassel – Dass Arnulf Schacht ein besonderer Kinderarzt war, sahen seine Patienten schon auf den ersten Blick. Dr. Schacht war einer der ersten Kinderärzte Kassels, die nicht im weißen Kittel praktizierten. In der Sprechstunde in seiner Praxis in der Teichstraße in Kirchditmold verzichtete er auf die Medizineruniform, weil sie vielen Mädchen und Jungen Angst macht. Heute sind Kinderärzte im Pulli normal.

Schacht war seiner Zeit voraus und wusste schon früh, was Kinder zu besonderen Patienten macht. „Sie haben oft Befindlichkeitsstörungen. Da reicht es nicht, abzuhorchen und in den Mund zu gucken. Da muss man genau hinhören und hinsehen“, sagte er einmal.

Am 3. Februar ist der Mediziner mit 80 Jahren gestorben. Nachdem die Todesanzeige in der HNA erschienen war, erhielt seine Frau Susanne zahlreiche Briefe von Müttern, die einst mit ihren Kindern zu ihm gekommen waren. Sein Ex-Kollege Alfons Fleer aus Bettenhausen sagt: „Er hat die Sorgen der Mütter immer ernst genommen.“

Dabei hatte der gebürtige Kasseler eigentlich Chirurg werden wollen. Nach dem Abitur am Friedrichsgymnasium studierte er in Göttingen und Heidelberg. Dann entschied er sich um. „Er konnte einfach gut mit Kindern“, sagt seine Frau Susanne, die er schon in der Schule kennengelernt hatte.

Noch heute erinnern sich ehemalige Patientinnen, die mittlerweile selbst Mütter sind, an ihn sowie seine einfühlsame und beruhigend-ruhige Art – und auch an das große Gummibärchenglas, aus dem man naschen durfte.

Neben seiner Tätigkeit in der Praxis leitete Schacht ab 1979 mit drei Kollegen viele Jahre das Kinderkrankenhaus „Zum Kind von Brabant“ in der Herkulesstraße. Oft ging er morgens um halb acht aus dem Haus und kam erst nach zwölf Stunden wieder. Vom Familienalltag verpasste der Vater von vier Kindern einiges. Das wurde dann im Urlaub aufgeholt.

Mit befreundeten Familien reisten die Schachts oft nach Dänemark, Griechenland oder Frankreich. Dort war der Ulf oder Ulwi, wie er von Freunden genannt wurde, für die detaillierte Planung der gemeinsamen Urlaube zuständig. Auch hier konnte man sich blind auf ihn verlassen.

Als sich der Mediziner 2007 nach 30 Jahren in den Ruhestand verabschiedete, porträtierte ihn unser Fotograf mit Globus und Stethoskop, denn Schacht wollte mit einer Ärzteorganisation in Afrika helfen. Doch nur wenige Wochen später erlitt er einen Herzinfarkt und Schlaganfall, als er gerade mit einer seiner vier Enkeltöchter im Bergpark spazieren war. Ein Sanitäter, der zufällig in der Nähe war, rettete sein Leben.

Der begeisterte Sportler musste sich mühsam in den Alltag zurückkämpfen. Bis dahin lief er viel, surfte und trainierte auf dem Rennrad. Mit einem Freund bezwang er im Frankreich-Urlaub sogar den Mont Ventoux, einen der legendärsten Gipfel der Tour de France. Das alles ging im Ruhestand nicht mehr.

Eine der vielen Mütter, die Arnulf Schachts Frau einen Brief geschrieben haben, sagt: „Er hatte immer ein Lächeln im Gesicht. Er war ein Mensch, den man nicht vergisst.“ (Matthias Lohr)

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