Nilgansfamilie hat sich im Kasseler Lutherturm einquartiert

Das Nest einer Nilgans-Familie wurde im Lutherturm in Kassel entdeckt. Allerdings ist das ein sehr ungünstiger Platz für die Tiere.
Kassel – Erst der Falke, dann der Uhu, jetzt die Nilgans. „Der Lutherturm ist offenbar ein ornithologisch interessanter Ort“, sagt Helge Kuhn, Leiter des Gebäudemanagements des Ev. Stadtkirchenkreis Kassel. Das Nest der Gans wurde bei Arbeiten am Turm entdeckt. Es liegt direkt hinter einer Glaswand 18 Meter hoch am Fenster der Glockenstube.
Seit Wochen schon habe er ein Nilgans-Paar auf der Wiese herumlaufen sehen, vor ein paar Tagen dann habe er beobachtet, wie eine Nilgans immer wieder in den insgesamt 78 Meter hohen Turm flog. Kurz nachgeschaut, sah er, dass sie bereits ein Nest gebaut hat, worin acht Eier liegen. „Leider haben sie sich einen ungünstigen Platz ausgesucht, weil die Jungtiere abzustürzen drohen, wenn sie Flügge werden“, so der Architekt, der daraufhin Carolin Bräuer kontaktierte. Sie ist Biodiversitätsbeauftragte beim Regierungspräsidium Kassel und eine ihrer Aufgaben ist der Erhalt der Artenvielfalt.

„Irgendwann werden die Kleinen wie Watteklümpchen hinunterfallen. Aber sie sind gut gepolstert und wiegen nur ein paar Gramm, deshalb werden sie nicht wie Steine herunterfallen.“ Dass man das Nest nicht entnehmen und an einem für die Jungvögel sicheren Ort platzieren darf, regle die EU-Liste invasiver gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten.
Demnach gelte die Nilgans als invasive Art, deren Population man im Blick haben müsse. „Die Nilgans ist, wie auch der Waschbär oder der Riesenbärenklau, eine Art, die andere verdrängt und dafür auch Gelege anderer Gänse und Enten kaputtmacht“, erklärt Bräuer. „Sie kann auch bejagt werden.“ Vor diesem Hintergrund könne man nicht einmal davon sprechen, dass die Nilgans im Lutherturm geduldet wird. Sie ist eben da. Und dass sich die Gans ausgerechnet einen Platz in luftiger Höhe ausgesucht hat, sei durchaus üblich.
Auch, wenn ein Nilgans-Nest im Kirchturm nicht zum Alltag gehöre. „Die Küken sind da gut geschützt. Auch die Wanderfalken, die ebenfalls im Turm leben, sind keine Gefahr für sie, weil sie Luftjäger sind.“ Schließlich sei es auch die Anpassungsfähigkeit der Nilgans, die sie zu einer Gefahr für heimische Tierarten mache und ihren Listenplatz rechtfertige.
Dass der Turm der Lutherkirche in Kassels Innenstadt generell ein beliebter Ort zur Fortpflanzung zu sein scheint, zeigt die Geschichte. Seit Jahrzehnten brüten dort Falken. „Das Falkenpaar ist auch wieder eingekehrt, die bleiben uns treu“, sagt Kuhn, der das zum Teil mithilfe von Kameras beobachten kann.
Dass der Falkennachwuchs geschlüpft sei, sehe man immer, wenn dieser raus auf den kleinen Stahlbalkon komme. Der letzte große Vogel, der sich ein Plätzchen im Turm suchte, war 2017 der Uhu.
„Man hält sich gern auf dem Laufenden, weil es oft passiert, dass die Brut denkt, sie kann schon fliegen und es aber schiefläuft.“ Dann würde man zusammen mit Carolin Bräuer die Jungvögel einsammeln und auf das Flachdach der Jugendkirche setzen, damit sie von den Eltern weiter gefüttert werden können, statt am Boden gerissen zu werden. So werde wohl auch im Falle der Nilgans-Küken verfahren. (Anna Lischper)