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Kläranlagen als Frühwarnsystem: Expertin weist Corona-Virus im Abwasser nach

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Von: Kathrin Meyer

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Sequenziert Abwasser: Susanne Lackner, Professorin für Abwasserwirtschaft an der TU Darmstadt, untersucht Proben aus Kläranlagen auf Corona-Viren.
Sequenziert Abwasser: Susanne Lackner, Professorin für Abwasserwirtschaft an der TU Darmstadt, untersucht Proben aus Kläranlagen auf Corona-Viren. © Arne Dedert/dpa

An 18 Standorten in Hessen werden Abwasserproben genommen, anhand derer die Ausbreitung von Corona-Viren bestimmt werden kann. In der Region in den Kläranlagen in Kassel und Bad Hersfeld.

Die Analyse von Abwasser ist deutlich schneller und genauer als Corona-Tests. Was dieses Frühwarnsystem leistet, darüber haben wir mit Susanne Lackner gesprochen. Die Professorin der TU Darmstadt koordiniert das Projekt in Hessen.

Frau Lackner, wenn Sie auf ihre Daten blicken, was sagen die aktuell für Kassel aus?

Wir haben den letzten konkreten Wert vom 11. Januar. Zu diesem Zeitpunkt waren in Kassel bereits 70 Prozent der Corona-Fälle auf die Omikron-Variante zurückzuführen. 30 Prozent wurden noch von Delta verursacht. Wir bekommen die Werte immer im Abstand von drei bis vier Wochen.

Zum Vergleich: Wie sah die Lage dann vor Weihnachten aus?

Da war in Kassel der Omikron-Nachweis noch negativ. An den 18 Stellen, an denen wir in hessischen Kläranlagen Proben entnehmen, war die Omikron-Variante im Dezember lediglich in Frankfurt, Wiesbaden und Hanau schon nachzuweisen. Die ersten Nachweise fanden sich in Proben des Flughafens Frankfurt.

Wie sehen die Januar-Daten für ganz Hessen aus?

In Marburg ist die Omikron-Variante schon für 100 Prozent der Infektionen verantwortlich. Bei den meisten anderen Standorten ergeben unsere Auswertungen einen Anteil der Variante von 80 Prozent.

Warum kann man die Sequenzierung von Viren im Abwasser als Frühwarnsystem beschreiben?

Im Grunde wäre auch bei der Abwasseruntersuchung eine PCR-Analyse möglich. Die ist im Grunde schneller und günstiger als eine Sequenzierung. Man muss sich das vorstellen wie beim PCR-Test. Der generelle Nachweis des Virus ist damit möglich, und das reicht in den meisten Fällen bei infizierten Personen und einer vorherrschenden Variante, wie es aktuell der Fall ist. Aber eine konkrete Aussage, welche Variante, wie stark vertreten ist, ist eben nur über eine Sequenzierung möglich. Auch sind Testergebnisse nicht immer zuverlässig. Es gibt einen Meldeverzug, das hat man über den Jahreswechsel gesehen.

Wie genau muss ich mir diese Analyse des Abwassers vorstellen?

Sehr vereinfacht gesagt wie ein großes Puzzle. Im Abwasser findet sich eine Vielzahl an Virusbruchstücken – die gilt es, zusammenzusetzen.

Was ist der Vorteil des Abwassermonitorings?

Ein Corona-Test wird in den meisten Fällen erst vorgenommen, wenn jemand Symptome hat. Unter fünf Prozent dieser klinischen Proben werden ohnehin nur sequenziert. Die Sequenzierung im Abwasser erfolgt zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt und ist sehr genau. Dort haben wir die ersten Omikron-Fälle schon erkannt, bevor die ersten Menschen positiv auf die Variante getestet wurden. Bei neuen Varianten kann man engmaschig schauen, wo und wie schnell die sich verbreiten.

Hat die Analyse auch Nachteile?

Das Abwassermonitoring gibt ein sehr ungefiltertes Bild der Bevölkerungsgruppe ab, die an die entsprechende Kläranlage angeschlossen ist. Sie bringt also weniger der Einzelperson etwas, aber liefert ein aussagekräftiges Bild für eine Region oder ein Bundesland. Wenn allerdings nur wenige Haushalte an eine Kläranlage angeschlossen sind, sind die Daten für diese auch sehr konkret.

Welche Vorteile sehen Sie für die Zukunft in der Sequenzierung von Viren im Abwasser?

Aus meiner Sicht wird das vor allem in den kommenden Jahren wichtig werden. Wenn die Fallzahlen niedrig sind. Im Abwasser lässt sich dann nämlich schon frühzeitig nachweisen, ob die Werte wieder steigen. Ich halte es für durchaus denkbar, dass wir nach dem Rückgang der Omikron-Fälle auch wieder verstärkt Corona-Infektionen mit der Delta-Variante nachweisen. In der endemischen Lage kann man im Abwasser sehr genau im Auge behalten, was passiert, und so schnell reagieren.

Abwassermonitoring

Die Stadt Kassel nimmt seit September 2021 am Projekt zum hessenweiten Abwassermonitoring auf Corona-Mutationen teil. Die Leitung und -koordination erfolgt durch das Institut IWAR der TU Darmstadt. Bei dem Projekt werden die großen Städte in Hessen mit Kläranlagen der Größenklasse 5, dazu gehört auch Kassel, und einige Kläranlagen der Größenklasse 4 untersucht, mit dem Ziel, 40 bis 45 Prozent der Bevölkerung über ganz Hessen verteilt abzudecken. An der Kläranlage Kassel werden im Abstand von zwei Wochen Proben genommen, die an der TU Darmstadt analysiert und ausgewertet werden. 

Zur Person

Prof. Dr. Susanne Lackner (43) hat als ehemalige Nationalmannschaftsruderin schon lange eine besondere Beziehung Wasser. Es zu schützen, hat sie auch beruflich interessiert: Die Umweltingenieurin leitet am Institut IWAR der Technischen Universität Darmstadt das Fachgebiet Wasser und Umweltbiotechnologie. Lackner arbeitet daran, Kläranlagen effizienter zu machen. Seit September 2021 sequenziert sie mit ihrem Team Corona-Viren im Abwasser, um so die Verbreitung des Virus und seiner Mutationen in Hessen einschätzen zu können. 

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