Koalition im Kasseler Rathaus ist geplatzt

Die Koalition im Kasseler Rathaus aus SPD und Grünen ist geplatzt. Das erfuhr die HNA am Freitagmittag. Streit gab es schon länger.
Die Koalition aus Grünen und SPD im Kasseler Rathaus ist nach nur annähernd einem Jahr geplatzt. Die Grünen erklärten sie für gescheitert, wie sie in einer Pressemitteilung deutlich machen. Als Gründe nannten sie darin die – ihrer Meinung nach – Blockadehaltung des Oberbürgermeisters Christian Geselle (SPD) und die fehlende Kompromissbereitschaft der SPD.
Nach mehreren Gesprächen und immer neuen Bemühungen habe das Verhandlungsteam der Grünen feststellen müssen, dass die SPD zu keinerlei Bewegung bereit sei, um die Koalition zum Wohle der Menschen in Kassel zu retten, heißt es in der Presseerklärung. Die Verhandlungen seien „nach dem durch Christian Geselle eingeleiteten Koalitionsbruch“ notwendig geworden. Dieser hatte einen vom Grünen Verkehrsdezernenten Christof Nolda auf den Weg gebrachten Verkehrsversuch auf dem Steinweg gestoppt und Nolda kurz darauf einen Teil des Verkehrsbereich entzogen.
Die SPD reagierte mit Unverständnis auf das Vorgehen der Grünen. Fraktionsvorsitzender Wolfgang Decker nannte es eine „Entscheidung ohne Not“. Ebenso wie der Kasseler Parteivorsitzende Ron-Hendrik Hechelmann zeigte sich Decker erstaunt darüber, dass die Grünen die Zusammenarbeit wegen der Uneinigkeit über einen Verkehrsversuch aufgekündigt hätten. Die eigenen Interessen seien den Grünen offenbar wichtiger als Themen wie die Auswirkungen der Ukraine-Krise, der Nachtragshaushalt und das Energiegeld. Sie machten zudem deutlich, dass es auch mit der SPD Verkehrsversuche geben werde.
Die Kritik der Grünen zielt aber vornehmlich auf Oberbürgermeister Christian Geselle. Grünen-Fraktionsvorsitzender Steffen Müller sagt: „Hätten wir einen anderen Oberbürgermeister, würde es die Koalition noch geben.“ Geselle habe mit ihm und Christine Hesse, seiner Kollegin an der Fraktionsspitze, trotz mehrerer Anfragen nie ein Gespräch geführt, seit sie im Oktober den Vorsitz der Grünen-Fraktion übernommen hätten. Außerdem: „Bei der SPD liegen noch zwölf Anträge von uns, die noch nicht bearbeitet wurden.“
Wie es nun weitergeht, ist fraglich. Eine Politik von wechselnden Mehrheiten ist ebenso möglich wie eine neue Koalition. Allerdings müsste die dann aus mindestens drei Partnern bestehen, um eine Mehrheit zustandezubringen.
Koalitions-Aus in Kassel: Das sagt die CDU
Michael von Rüden, Fraktionsvorsitzender der CDU im Kasseler Rathaus: „Es ist das eingetreten, was ich vor zwei Wochen im HNA-Interview schon vorhergesagt habe: Die Koalition ist am Ende. Ich nehme das aber ohne Triumphgefühl zur Kenntnis. Es bleibt aber festzuhalten, dass es nicht mehr ging zwischen Grünen und SPD. Wie es nun weitergeht? Die Frage ist zunächst an die ehemaligen Koalitionspartner zu stellen. Von wechselnden Mehrheiten halte ich eigentlich nicht viel, aber bis zur Oberbürgermeisterwahl im kommenden Frühjahr wird es wahrscheinlich keine neue Koalition geben. Bis dahin müssen wir mit den maßgeblichen Parteien – dazu zähle ich die AfD und die Linken nicht – sprechen und schauen, wo die inhaltlichen Übereinstimmungen liegen. Wir müssen dann Vereinbarungen zu bestimmten Themen treffen, um die Inhalte voranzubringen und einen Stillstand in der Stadt zu verhindern. Perspektivisch halte ich ein Dreier-Bündnis für möglich.“
Koalitions-Aus in Kassel: Das sagt die FDP
Matthias Nölke, Fraktionsvorsitzender der FDP im Kasseler Rathaus: „So ganz traue ich dem Braten noch nicht – nach dem Motto: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Ich würde das, was im Moment passiert, als Wahlkampfgeplänkel bezeichnen. Die ideologischen Schnittmengen zwischen Grünen und SPD sind immer noch am größten. Es wird alles davon abhängen, wie die Oberbürgermeisterwahl ausgeht. Sollte Christian Geselle gewinnen, wird er nach der Wahl wohl wieder handzahmer, sollte die Kandidatin der Grünen gewinnen, wird die SPD alles tun, noch irgendwie an der Macht zu bleiben. Spannend wird es in diesem Zusammenhang, wen die CDU ins Rennen schicken. Da lasse ich mich überraschen.“
Zitate aus der Pressemitteilung der Grünen
Steffen Müller: Seitdem wir im Oktober gewählt wurden, haben wir mehrfach versucht, ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister zu führen. Wir haben telefonisch, per Mail und mit einem Brief angefragt und nie eine Antwort erhalten. Hätten wir einen anderen OB, würde es die Koalition noch geben. Bei der SPD liegen noch zwölf Anträge von uns, die noch nicht bearbeitet wurden.
Christine Hesse: Wir sind enttäuscht über die SPD. Die Verkehrswende war einer der wichtigsten Punkte im Koalitionsvertrag. Aber wir können sie mit den Sozialdemokraten nicht durchsetzen, wenn sie nicht den Mut aufbringen, sich gegen die Alleingänge des OBs zu stellen.
Steffen Müller: Erst einmal werden wir uns wechselnde Mehrheiten suchen müssen. Langfristig sind wir aber auf der Suche nach einem neuen Bündnis. Wir sind in der komfortablen Situation, dass wir stärkste Fraktion sind. Die SPD braucht ein Vierer-Bündnis, um auf die Mehrheit von 36 Stimmen zu kommen.
Dezernent Nolda wehrte sich gegen Kritik des Oberbürgermeisters
Gekracht hatte es in der Koalition, nachdem OB Geselle Christof Nolda Anfang Mai wichtige Aufgaben als Kasseler Verkehrsdezernent entzogen hatte. Später hatte sich der Grünen-Stadtrat in einem Brief an Geselle zu Wort gemeldet und auf dessen Kritik geantwortet. In dem Schreiben verteidigte sich der 60-Jährige gegen die Vorwürfe, die der Rathaus-Chef in einem Brief an alle Magistratsmitglieder und Fraktionschefs im Stadtparlament geschickt hatte. Nolda widersprach deutlich Geselles Vorwürfen „eines von mir zu verantwortenden Fehlverhaltens“.

Politkrach wegen Steinweg - darum geht es beim Verkehrsversuch
Der Streit, der jetzt zum Zerwürfnis zwischen SPD und Grünen geführt hat, hatte sich zudem unter anderem an einem Verkehrsversuch entzündet. Dabei geht es um ein Experiment am Steinweg, das das Dezernat des Grünen Christof Nolda geplant hat. Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) sagte, dass es das mit ihm nicht geben würde.