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Bei versuchtem Mord schuldunfähig: 28-Jähriger muss in psychiatrische Klinik

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Von: Florian Hagemann

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Erstaufnahme Niederzwehren: Hier kam es zu dem Angriff auf den stellvertretenden Leiter der Flüchtlingsunterkunft. Archi
Erstaufnahme Niederzwehren: Hier kam es zu dem Angriff auf den stellvertretenden Leiter der Flüchtlingsunterkunft. Archi © Katja Rudolph

Die Tat sorgte für Aufsehen: Der stellvertretende Leiter einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete wurde im vergangenen Herbst niedergestochen. Nun wurde der versuchte Mord vor dem Landgericht verhandelt. Das Ergebnis: Der Täter ist schuldunfähig und muss dauerhaft in eine psychiatrische Klinik.

Kassel – Am Ende waren sich alle einig: der Oberstaatsanwalt, der Verteidiger des Angeklagten, der Richter. Für sie stand die Schuldunfähigkeit des 28 Jahre alten Mannes aus Saudi-Arabien fest, der wegen versuchten Mordes vor Gericht stand. Er soll am 19. Oktober des vergangenen Jahres in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete den stellvertretenden Leiter mit zwei Messerstichen in den Rücken schwer verletzt haben.

Dass er die Tat begangenen hat, daran bestand nach der Verhandlung vor dem Landgericht Kassel kein Zweifel. Allerdings war gerade auch nach den Ausführungen eines Sachverständigen allen klar, dass der Angeklagte an einer paranoiden Schizophrenie leidet, unter Wahnvorstellungen. Deshalb entschied Richter Christian Geisler, den Mann weiterhin in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Dort soll er vor der Allgemeinheit geschützt und zugleich geheilt werden.

Geisler verwies bei der Begründung darauf, dass auch die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik eine schwere Maßnahme sei, die zeitlich nicht begrenzt ist. Erst wenn sichergestellt sei, dass keine Gefahr mehr von dem 28-Jährigen ausginge, könne sie beendet werden. „Das kann lange dauern.“

Zumal der Angeklagte tatsächlich eine schwere Straftat begangen hat – und, wie es der Richter ausdrückte, ein konsequentes Handeln im Wahn an den Tag legte. Das heißt: Er wusste dabei sehr wohl, was er tat, als er im Herbst 2021 den leitenden Mitarbeiter der Einrichtung schwer verletzte. Der 64 Jahre alte Mann hatte gerade Feierabend gemacht und wollte mit einem Kollegen vor der Eingangstür noch eine Zigarette rauchen, als der Täter plötzlich von hinten zustach. Wohl nur durch die schnell herbeigeeilte Hilfe und zwei Notoperationen konnte das Leben des Opfers gerettet werden.

Der Täter soll dabei von einer Stimme getrieben worden sein, wie es Oberstaatsanwalt Matthias Grund in seinem Plädoyer noch einmal zusammenfasste. Dies sei Ausdruck eines Verfolgungswahns gewesen, der sich auf die Einrichtungsleitung projiziert habe. Der Täter hatte wohl das Gefühl, selbst bedroht zu werden – vom Geheimdienst seines Landes, von Sicherheitsbehörden. Von daher war die Tat, dieser versuchte Mord, des 28-Jährigen innerhalb seiner Wahnvorstellung erklärbar.

Diese Gemengelage war die Grundlage für die Entscheidung des Gerichts, die alle erwartet hatten. Noch im Gerichtssaal machte Oberstaatsanwalt Grund klar, dass er keine Rechtsmittel einlegen werden. Die Verteidigung erbat sich noch Bedenkzeit. Der Richter wandte sich zum Abschluss noch einmal an Täter und Opfer und wünschte beiden alles Gute.

Das Opfer, das in dem Prozess auch als Nebenkläger auftrat, saß im Zuschauerraum und erklärte, dass es einverstanden ist mit der Entscheidung des Gerichts. Der Täter nahm den Beschluss des Gerichts nahezu regungslos hin. Er nimmt derzeit starke Medikamente und ist bereits in der Psychiatrie in Haina untergebracht. Kurz zuvor hatte er zu verstehen gegeben, dass er gern zurückwolle nach Saudi-Arabien. Unmöglich ist das wohl nicht. Das Land habe bereits signalisiert, ihn aufzunehmen, hatte sein Verteidiger während des Plädoyers bereits angedeutet. (Florian Hagemann)

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