Städtepartner von Kassel in Russland: Kontakt soll ruhen, aber nicht abreißen
Wegen des Angriffs auf die Ukraine lässt Kassel seine Städtepartnerschaft mit Jaroslawl und seine Kooperation mit Nowy Urengoi in Russland vorerst ruhen.
Kassel – Die Stadt Kassel hat wegen des russischen Einmarschs in die Ukraine ihre Städtepartnerschaft mit Jaroslawl und ihre Kooperation mit Nowy Urengoi zunächst auf Eis gelegt. Gerade weil Kassel viele und enge freundschaftliche Beziehungen nach Russland habe, sei er irritiert und erschrocken über die zugespitzte Lage, schrieb Oberbürgermeister Christian Geselle an seine russischen Amtskollegen. „Die Stadt Kassel steht für ein friedliches Miteinander der Menschen. Diese Grundhaltung ist ein wesentliches Motiv für unsere Städtepartnerschaften. Ich muss Ihnen deshalb mitteilen, dass wir bis zum Ende der militärischen Auseinandersetzung und zur Rückkehr zu friedlichen Lösungsansätzen unsere Städtekooperation ruhen lassen.“
Der, der die Städtepartnerschaft mit Jaroslawl auf den Weg gebracht und sie 1988 als Kasseler Oberbürgermeister unterzeichnet hat, kann diesen Schritt durchaus nachvollziehen. „Ich verstehe die Stadt und halte das für richtig, den offiziellen Kontakt vorerst ruhen zu lassen“, sagt Hans Eichel. Alle anderen aber, zum Beispiel die Kasseler Schulen, Vereine und Privatleute mit Kontakten nach Jaroslawl, sollten sich jetzt nicht abschotten, meint der 80-Jährige. „Gerade in solchen Situationen müssen die Partnerschaften genutzt werden. Wenn die Zeiten schwierig werden, werden die Partnerschaften wichtiger.“
Die Begründung der Städtepartnerschaft sei damals „eine außerordentlich emotionale Angelegenheit“ gewesen, erinnert sich Eichel. Angesichts von 20 Millionen russischen Weltkriegsopfern habe er vor dem ersten Besuch in Jaroslawl Angst gehabt. Dort aber seien er und die anderen Kasseler herzlich aufgenommen worden, berichtet der ehemalige OB, hessische Ministerpräsident und Bundesfinanzminister. An den vielen Kontakten und Freundschaften, die seither zwischen den Menschen in Kassel und Jaroslawl entstanden seien, müsse deshalb unbedingt festgehalten werden. „Der Kontakt darf nicht abreißen“, betont Eichel.
Für ihre 30-jährige Städtepartnerschaft sind Kassel und Jaroslawl 2018 vom deutsch-russischen Forum in Berlin ausgezeichnet worden. Vor allem der Verein Partner für Jaroslawl, nach dem Tod seines Vorsitzenden Peter Liebetrau inzwischen aufgelöst, und Kasseler Schulen haben diese Partnerschaft mit Leben erfüllt. Unter anderem pflegen die Herderschule, die Waldorfschule und das Goethe-Gymnasium Kontakte zu Partnerschulen in Russland.
Dass diese Schulpartnerschaften seit geraumer Zeit deutlich eingeschränkt sind, hat mit der seit zwei Jahren andauernden Corona-Pandemie zu tun. Gegenseitige Besuche seien seither nicht mehr möglich. Lehrer und Schüler hielten aber weiter Kontakt, berichtet Joachim Bollmann, Schulleiter des Goethe-Gymnasiums. Im April 2019 war er zuletzt mit Schülern in Jaroslawl. „Sehr herzlich und mit viel Engagement sind wir empfangen worden.“ Und zwar nicht nur von der Partnerschule, sondern auch von der Stadt, die zum Besuch extra eine Pressekonferenz gegeben habe.
Wegen Corona seien gegenseitige Schulbesuche ohnehin nicht geplant. Ob die Entscheidung der Stadt Kassel, die Partnerschaft ruhen zu lassen, weitere Konsequenzen habe, darüber wolle er sich mit den anderen Schulen und dem Schulträger austauschen. Bollmann: „Wir müssen schauen, wie sich die Dinge entwickeln.“
Übrigens unterhält neben Kassel auch Hanau eine offizielle Städtepartnerschaft zu Jaroslawl. Auf Anfrage erklärten die Südhessen am Montag: „Wegen des von Wladimir Putin entfesselten Angriffskriegs gegen die Ukraine lässt die Stadt Hanau derzeit ihre Städtepartnerschaft mit Jaroslawl auf offizieller Ebene ruhen. Das gilt, bis die Aggression aus dem Kreml beendet ist und wieder Frieden herrscht.“ Auch andere deutsche Städte legten ihre Russland-Partnerschaften auf Eis.
Neben der 1988 begründeten Partnerschaft mit Jaroslawl unterhält die Stadt Kassel seit 2005 auch eine Kooperation mit dem russischen Nowy Urengoi (Westsibirien). Kooperationspartner sind die Wintershall Dea GmbH und die Universität Kassel. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine ruht auch diese Städtekooperation.
(Andreas Hermann)

