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Konzert in der JVA Kassel: Gefangene feiern Songs von Johnny Cash

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Von: Ulrike Pflüger-Scherb

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Sie wurden von den Zuhörern gefeiert: Die Band „The Line Walkers“ gab gestern ein Konzert vor 97 Inhaftierten der JVA Kassel I.
Sie wurden von den Zuhörern gefeiert: Die Band „The Line Walkers“ gab ein Konzert vor 97 Inhaftierten der JVA Kassel I. © Pia Malmus

Nach drei Jahren Pandemie fand am Mittwoch wieder ein Konzert in der Justizvollzugsanstalt Kassel I in Wehlheiden statt.

Kassel – Nach einer guten Stunde applaudierten und johlten die 97 Männer in den dunkelgrauen Hosen und weinroten Shirts. Einer formte mit seinen Händen ein Herz in Richtung Bühne. So etwas erleben diese Männer nicht alle Tage. Nach drei Jahren Pandemie fand am frühen Mittwochabend wieder ein Konzert in der Justizvollzugsanstalt Kassel I in Wehlheiden statt. Die fünfköpfige Band „The Line Walkers“ aus Kiel spielte im Kirchenraum des Gefängnisses Songs, die auch Johnny Cash gesungen hat.

Viele Menschen bringen mit Johnny Cash (1932 bis 2003) einen Gefängnisaufenthalt in Verbindung. Dabei saß der Country-Musiker und Songschreiber mit dem Bad-Boy-Image in seinem Leben nie eine Gefängnisstrafe ab. Nur kleinere Vergehen brachten ihn wohl sieben Mal kurzzeitig hinter Gittern. Kein Aufenthalt dauerte aber länger als eine Nacht.

Legendär sind hingegen die Konzerte, die Cash hinter Gittern gab: 1968 spielte er zwei Konzerte in der kalifornischen Haftanstalt Folsom State Prison. Ein Jahr später gab er ein Konzert in San Quentin, dem ältesten Staatsgefängnis von Kalifornien. Die Live-Alben, die bei den Auftritten aufgenommen wurden, verkauften sich -zig Millionen Mal.

Johnny Cash ist nicht nur musikalisches Vorbild für „The Line Walkers“ aus Kiel. Auch sie spielen ab und an hinter Gittern. In der JVA Kassel I haben sie vor fünf Jahren bereits ein Konzert gegeben. Einige Inhaftierte, die am Mittwoch beim Aufbau dabei gewesen sind, seien schon damals dort gewesen, erzählt Bassist Hugh Turner.

„The Line Walkers“ in der JVA Kassel I: Abschalten vom Knastalltag

Was unterscheidet das Publikum im Gefängnis von dem Publikum draußen? „Es ist gleichzeitig zurückhaltender, aber auch begeisterter“, hat Turner beobachtet. Jörg-Uwe Meister, der Chef der JVA Kassel I, ist selbst großer Fan von Johnny Cash. Er denkt, dass die Leute, die in Freiheit solch ein Konzert besuchen, älter als die Insassen in der JVA sind. „Viele jüngere Insassen hören sonst andere Musik. Die kommen zum Konzert, um eine Abwechslung zu haben.“

Dass die Inhaftierten vom Alltag abschalten konnten, das ist der Band gelungen. Besonders begeistert waren die Männer vom Auftritt der Sängerin Miss Anna Jones, die den Part von Johnny Cashs Frau June Carter Cash auf der Bühne übernimmt. Als sie mit Frontman „The Man in Black“ das Duett „Jackson“ anstimmte, waren die Männer auf ihren Stühlen aus dem Häuschen. Da wippten die Füße und klatschten die Hände. Allerdings blieben die Häftlinge auf ihren Stühlen sitzen.

Auch wenn das Gros der Inhaftierten sonst nicht auf Johnny Cash steht, so war ein wahrer Fan unter den Zuhörern. Er sei seit 15 Jahren Fan des Country-Sängers, erzählt der 56-Jährige, der seit 20 Monaten in Untersuchungshaft sitzt und auf seine Revision wartet. Von dem Frontman und seiner Stimme war der Mann jedenfalls begeistert. Er ist sich sicher, dass auch andere Insassen auf die Musik stehen. „Viele geben es aber nicht zu, weil sie auf harte Jungs machen“.

Weiteres Konzert von „The Line Walkers“ im Theaterstübchen

AM Mittwoch ließen sie ihren Gefühlen aber freien Lauf und feierten die Band für „Walk The Line“, „San Quentin“, „Personal Jesus“ oder „Me and Bobby McGee“. Und natürlich für „Ring of Fire“.

Das war nicht der einzige Auftritt von „The Line Walkers“ in Kassel. Anschließend gaben sie noch ein Konzert in den Tiefen des Theaterstübchens. (Ulrike Pflüger-Scherb)

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