Kasseler Corona-Hilfsprogramm: Kopf-hoch-Geld gibt’s doch nicht oben drauf

Kleineren Betriebe und Soloselbstständigen, die städtische Corona-Hilfen aus dem Kopf-hoch-Programm erhielten, drohen nach neuen Richtlinien aus Berlin Rückzahlungen.
Kassel – Die Nachricht, dass er die 5000 Euro der Stadt zurückzahlen muss, habe dem Inhaber des Handwerksbetriebs Tränen in die Augen getrieben. Gerade so habe der Mann sein kleines Unternehmen in der Kasseler Südstadt durch die schweren Corona-Zeiten mit Schließung und Umsatzeinbrüchen retten können, berichtet der Steuerberater Jens Bischoff.
Als prüfender Dritter hat er nun für den Betrieb bis zum 31. Dezember die Schlussabrechnung zu den erhaltenen Überbrückungshilfen zu erstellen. Nach den neuen Vorgaben aus dem Bundesfinanzministerium seien Doppelförderungen auszuschließen, müssten also Gelder aus Corona-Hilfsprogrammen von Bund, Land und Kommunen verrechnet werden. Für den Kasseler Steuerberater ist damit klar: Diesem Handwerksbetrieb und vielen anderen Empfängern von Zuschüssen aus dem städtischen Programm „Kopf hoch, Kassel!“ steht nun eine Rückzahlung bevor – trotz anderslautender Beteuerungen.
Denn genau die Anrechnung der Hilfe hatte Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) immer ausgeschlossen. Er hatte betont, die städtische Förderung werde „on top“ ausgezahlt, also oben drauf auf etwaige Coronahilfen aus Bundes- und Landesprogrammen, sie werde nicht verrechnet und sie müsse nicht zurückgezahlt werden. So sagte OB Geselle es unter anderem auch in einem Youtube-Video, das die Stadt bei Vorstellung des Programms im April 2020 veröffentlichte und das heute noch im Internet abgerufen werden kann.
Wie berichtet, war das städtische Corona-Soforthilfe-Programm für Kleinst- und Kleinbetriebe sowie Soloselbstständige Anfang Mai 2020 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen worden, insgesamt waren dafür bis zu 18 Millionen Euro im Etat vorgesehen. In den Jahren 2020 und 2021 wurden rund 8,5 Millionen Euro ausgezahlt.
Auf Anfrage hat ein Sprecher der Stadt betont, die Aussagen in der Videobotschaft von Oberbürgermeister Geselle vor der Beschlussfassung seien „im sachlichen und zeitlichen Kontext zu sehen“. 2020 und 2021 habe der Bund parallel zum städtischen Programm Überbrückungshilfen für kleine und mittelständige Unternehmen sowie Soloselbstständige auf den Weg gebracht. „Kopf hoch, Kassel!“ sei damals vom Bund nicht berücksichtigt worden, da die Zahlungen nicht in den für die Höhe der Überbrückungshilfen relevanten Berechnungszeitraum gefallen seien.
Am 4. März 2022 – „nach weiteren Überbrückungshilfen des Bundes, die in 2020 noch gar nicht absehbar waren“ – habe der Bund dann seine Förderbedingungen aktualisiert, so der Stadtsprecher. Danach seien nun gleichartige Corona-Hilfsprogramme und die Höhe der erhaltenen Zuschüsse anzugeben. Der Bund sehe bezogenes „Kopf hoch, Kassel“-Geld nun als Einkommen an und reduziere dahingehend seine Zuschüsse oder verlange rückwirkend zu viel gezahlte Zuschüsse zurück – anders als zum Zeitpunkt des Kasseler Wiederankurbelungsprogramms vor zwei Jahren.
Dass Geld aus dem Kopf- hoch-Programm doch verrechnet werden müsse, hat auch Norbert Wett, der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, durch einen betroffenen Betrieb erfahren. Der Stadtverordnete kündigte deshalb an, er wolle in seiner CDU-Fraktion die bislang geplante Zustimmung zum Einwohner-Energie-Geld noch einmal ansprechen.
In seinen FAQ (ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de) stellt das Bundesfinanzministerium fest, dass Doppelförderungen auszuschließen sind. Bei der Schlussabrechnung müsse „eine Anrechnung von weiteren gleichartigen coronabedingten Zuschussprogrammen des Bundes, der Länder oder der Kommunen“ erfolgen, „wenn sich Förderzweck und Förderzeitraum überschneiden“. Als gleichartig würden Programme gelten, die auch der Erstattung von Fixkosten oder der Kompensation von coronabedingten Umsatzrückgängen dienten.
Für das Programm „Kopf hoch, Kassel!“ hat die Stadt im März Bilanz gezogen. Danach wurden 2020 und 2021 knapp 8,5 Millionen Euro als Soforthilfe gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ausgezahlt. 2328 Anträge von Selbstständigen, Betrieben, Einrichtungen und Vereinen wurden bewilligt, davon 911 Anträge von Solo-Selbstständigen, an die rund 1,8 Millionen Euro ausbezahlt wurden. Betriebe erhielten bei 1027 bewilligten Anträgen rund 5,1 Millionen Euro. Für gemeinnützige Gesellschaften gab es rund 85 000 Euro (18 Anträge), für Vereine rund 1,4 Millionen Euro (372 Anträge). (Andreas Hermann)