Kassel. Mit Kleckerbeträgen gaben sich der 57-jährige Angeklagte und sein Kumpan in Hamburg nicht ab: 19,2 Millionen Euro sollen sie für angebliche Kupferkäufe in Rußland vom Firmenkonto einer Hamburger Aktiengesellschaft auf ein fingiertes Konto umgeleitet haben.
Weil die Fälle gewerblicher Untreue zwischen 1998 und 2008 aber inzwischen verjährt sind, werden vor der Wirtschaftsstrafkammer des Kasseler Landgerichtes seit gestern lediglich 36 Straftaten mit einer Gesamtschadenssumme von 2,3 Millionen Euro verhandelt.
Der geständige Angeklagte - er lebte einige Zeit in Wolfhagen, zuletzt aber in der Schweiz und der Ukraine und sitzt seit Dezember in Untersuchungshaft in der JVA Wehlheiden - ist ein zierlicher Mann mit akurat gestutzem Kinnbart, der dem Gericht mit leiser Stimme seinen Lebenslauf schildert.
Mit 17 kam der in der Sowjetunion geborene Mann nach Deutschland, studierte Betriebswirtschaftslehre in Göttingen und baute später als Diplom-Kaufmann für mehrere Metallunternehmen in Moskau Büros zum Einkauf russischen Metalls auf. Dabei ging es zeitweise um Milliardensummen.
Mit seinem Komplizen, gegen den gesondert verhandelt wird, sei der Angeklagte seit Jahren befreundet gewesen, schilderte Oberstaatsanwalt Lohr. Der Mann war leitender Mitarbeiter des Hamburger Unternehmens und seit 1998 für dessen Einkäufe von Kupfer und anderen Metallen zunächst unbeschränkt, später bis 80 Millionen Euro pro Bestellung allein zeichungsberechtigt gewesen. Der Angeklagte habe, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, bei einer Schweizer Privatbank unter dem Namen einer gar nicht mehr existierenden Moskauer Firma ein Konto eröffnet, auf das der Einkäufer aus Hamburg Millionenbeträge von den Firmenkonten umleitete. Das Geld hätten sich die beiden Männer geteilt und unter anderem für Autos und eine gemeinsame Immobilie in Florida ausgegeben.
In einem Gespräch, das der Vorsitzende Richter Winter mit Verteidigung und Staatsanwaltschaft bereitts vor dem gestrigen Prozessauftakt führte, hatte Staatsanwalt Lohr eine Freiheitsstrafe von vier Jahren für angemessen gehalten. Verteidiger Florian Kraus (München) sah drei Jahre als ausreichend an. Lohr signalisiert Entgegenkommen beim Strafmaß, wenn der Angeklagte Abschlagszahlungen auf die Steuer leiste.
Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt und ist auf acht Verhandlungstage angesetzt.
Von Thomas Stier