Kreisverkehr auf der A49 rund um Kassel: „Das ist es wert, wenn die Bauzeit verkürzt wird“

Wie bewertet ein Verkehrsexperte die Baumaßnahme rund um die Instandsetzung der Kasseler Südtangente? Wolfgang Herda vom Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) äußert sich.
Herr Herda, ein Kreisverkehr über mehrere Autobahnen in nur eine Richtung – hat es das schon mal gegeben?
Wolfgang Herda: In der Weise habe ich das noch nie gesehen, wobei das nicht automatisch heißt, dass es das noch nie gegeben hat. Allerdings gab es schon Beispiele für solch komplexe Verkehrssteuerungen, wo eine Fahrtrichtung weggefallen oder gar die ganze Autobahn über längere Zeit gesperrt worden ist.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Herda: Ich erinnere an die Vollsperrung des Ruhrschnellwegs, also der A 40 bei Essen im Jahr 2012. Damals hatte der Ruhrschnellweg ein Verkehrsaufkommen von mehr als 100 000 Fahrzeugen am Tag. Das hat damals ziemlich gut geklappt, obwohl man im ersten Moment gesagt hat: Wahnsinn, wie soll das gehen?
Experte zu Autobahn-Kreisverkehr um Kassel: „Wir gehen davon aus, dass es ganz gut so funktionieren wird“
Und wie hat es dann genau funktioniert?
Herda: Damals war die A 40 bei Essen über den Zeitraum von drei Monaten voll gesperrt. Da ist das Chaos ausgeblieben, weil der Verkehr rechtzeitig auf andere Autobahnen umgeleitet worden ist. Die Verkehrsteilnehmer haben sich darauf eingestellt. Es gab kaum Beschwerden.
Also könnte die Konstruktion in und um Kassel herum auch funktionieren?
Herda: Ja, wir gehen davon aus, dass es ganz gut so funktionieren wird, wie sich die Autobahn GmbH das gedacht hat. Der Verkehr wird wahrscheinlich durch die Konstruktion und die Dreispurigkeit ganz gut abgewickelt werden. Allerdings gibt es eine wichtige Voraussetzung.
Nämlich?
Herda: Wichtig ist eine gute Kommunikation im Vorfeld. Das heißt, die Behörden müssen über die Medien kommunizieren, was jetzt passiert, damit sich die Verkehrsteilnehmer zeitig auf die veränderte Situation einstellen können. Es ist wichtig als Autofahrer, dass ich schon dann die richtige Routenempfehlung habe, wenn ich auf die Autobahn fahre. Heißt: Ich muss mich schnell zurechtfinden. So etwas kann zum Beispiel auch durch temporäre, dynamische Hinweistafeln geschehen. Ich hoffe auch, dass die Informationen über die neue Situation an die Navigationsfirmen weitergegeben worden sind und die Navigationsgeräte entsprechend an die aktuelle Lage angepasst sind.
Worauf kommt‘s noch an?
Herda: Wichtig ist zudem, die richtigen Schlüsse aus den ersten Erfahrungen zu ziehen und womöglich dann noch Korrekturen vorzunehmen. Die Bewährungsprobe für die Konstruktion kommt schon gleich im Mai. Das Wochenende um Christi Himmelfahrt ist in der Regel das verkehrstechnisch stärkste im Jahr. Da kann man schauen: Klappt das? Da gilt es dann, flexibel zu reagieren.
Sie scheinen insgesamt aber optimistisch zu sein.
Herda: Ja, man muss auch mal gegenrechnen: Die Baumaßnahme würde die doppelte Zeit in Anspruch nehmen, wenn man den Verkehr weiterhin in beide Fahrtrichtungen zuließe. Nur hätte man dann auch mit Problemen, Behinderungen und Staus zu tun – und das über einen längeren Zeitraum. Von den Kosten mal ganz zu schweigen.
Schleichverkehr durch Kassel? „Verkehrsteilnehmer werden es zumindest über andere Wege probieren“
Bei allem Lob für die Konstruktion: Teilen Sie die Befürchtung von Ortsbeiräten, die glauben, dass der Schleichverkehr durch die Stadt zunehmen wird – gerade weil die Pendler den Kreisverkehr auf der Autobahn nicht mitmachen werden?
Herda: Die Verkehrsteilnehmer werden es zumindest über andere Wege probieren, ans Ziel zu kommen. Aber die Frage ist, welche Erfahrungen sie damit machen. Es ist nicht gesagt, dass der Zeitaufwand dann niedriger sein wird. Sollte er niedriger sein, wird es über einen längeren Zeitraum sicher dazu kommen, dass bestimmte Stadtviertel verkehrlich stärker belastet sein werden. Das kann man nicht verhindern. Aber das ist es wert, wenn gleichzeitig die Bauzeit verkürzt wird.
Es wird nun drei statt zwei Fahrspuren geben, allerdings werden die nicht mehr so breit sein wie bisher. Zudem sind die Einfädelspuren auf der Stadtautobahn verkürzt. Wächst damit die Unfallgefahr?
Herda: Ein Gefahrenpotenzial ist das, gar keine Frage. Allerdings wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit auch von 100 auf 80 reduziert, um dem vorzubeugen – gegebenenfalls kann man das auch noch auf 60 anpassen. Aber in der Regel sind die Baustelleneinrichtungen sehr gut und sehr sicher. Wir als ADAC werden aber auch gleich im Mai schauen, wie das alles im Einzelnen gelöst ist. (Florian Hagemann)