Kassel. Sie sind oft nicht mit dem bloßen Auge zu erkennen, können sich aber negativ auf die Stabilität eines Fahrzeugs auswirken. Sogenannte Heißrisse entstehen an Schweißnähten von Aluminiumblechen, die aufgrund ihres geringen Gewichts zunehmend in der Autoindustrie verbaut werden. Wissenschaftler der Uni Kassel entwickeln jetzt ein Konzept, um die winzigen Beschädigungen künftig zu vermeiden.
Normalerweise werden Aluminiumbleche, zum Beispiel für den Kotflügel eines Autos, mit einem Draht geschweißt, der aufgeschmolzen das Schmelzbad durchmischt. Kühlt die Schmelze ab, zieht sie sich zusammen, und es können sich durch Schrumpfspannungen feine Risse bilden. Die Wissenschaftler vom Fachgebiet Trennende und Fügende Fertigungsverfahren verzichten auf den Draht und kombinieren konventionelle Induktionstechnik mit Laserstrahltechnologie.
„Wir maximieren so die Energieeinsparung und minimieren den Aufwand zur Heißrissvermeidung“, sagt Fachgebietsleiter Prof. Stefan Böhm (45). Weil bei diesem Verfahren kein Draht mehr benötigt wird, fallen auch die Kosten für die Abspultechnik des Drahts weg. Stattdessen wird mithilfe von Induktoren Strom erzeugt, der das eingespannte Blech an der Schweißnaht erwärmt.
Auch für Flugzeugindustrie
Über die thermische Ausdehnung des Aluminiums entsteht eine Druckspannung in der Schweißnaht, die den Schrumpfspannungen beim Erkalten entgegenwirkt und Heißrisse verhindert. „Heißrisse müssen nicht unbedingt so ungünstig sein, dass die Schweißnaht versagt, aber ein Ingenieur möchte generell keine Risse haben“, sagt Stephan Bertelsbeck (34), der das bis 2013 vom Bund geförderte Forschungsprojekt bearbeitet.
Schließlich können die feinen Risse nicht nur im Zehntelmillimeterbereich auftreten, sondern sich gar über die komplette Schweißnaht erstrecken. „Sie können im Laufe der Zeit größer werden, im schlimmsten Fall versagt dann das Bauteil.“
Fällt ein Kotflügel vom Fahrzeug, wäre das nicht verheerend, sind jedoch Fahrzeugteile wie Quer- oder Längsträger betroffen, ist die Stabilität des ganzen Fahrzeugs in Gefahr.
„Unsere Ergebnisse sind aber nicht nur für die Automobilbranche, sondern auch für das Transportwesen, die Flugzeugindustrie und Schienenfahrzeuge interessant“, betont Böhm. Denn längst haben nicht nur Pkw-Hersteller die Vorteile des Leichtmetalls für sich entdeckt. Aluminium hat bei gleichem Nutzwert nur ein Drittel des Gewichts von Stahl. So überrascht es nicht, dass der Werkstoff nach Stahl inzwischen das am zweithäufigsten verwendete Metall der Welt ist. Ohne Heißriss-Problem dürfte Aluminium noch beliebter werden.
Von Sebastian Schaffner