Machtlos – die Kasseler SPD liegt nach der OB-Wahl am Boden

Für die Kasseler SPD lief der Wahlabend am Sonntag alles andere als gut. Jetzt stellt sich die Frage, wie es weitergeht und ob es personelle Konsequenzen gibt.
Kassel – Wer die Verantwortlichen für die Kasseler SPD rund um diese Oberbürgermeisterwahl am Sonntagabend reden hörte, der hätte durchaus zu dem Schluss kommen können, dass die Sozialdemokraten mal wieder siegreich gewesen sind. Oberbürgermeisterkandidatin Isabel Carqueville sprach von einem starken Team und zeigte sich zufrieden mit dem Wahlkampf.
Parteivorsitzender Ron-Hendrik Hechelmann unterstrich, dass die SPD in eben jenem Wahlkampf die Themen in den Vordergrund gerückt habe, was sie von anderen unterschieden hätte.
Das Problem: Isabel Carqueville erreichte mit 12,82 Prozent der Stimmen das schlechteste Ergebnis eines SPD-Bewerbers in der Geschichte der Stadt. Mit Christian Geselle kündigte zudem jener Sozialdemokrat an, nicht mehr an der Stichwahl teilnehmen zu wollen, der nach dem Zerwürfnis mit seiner Partei als unabhängiger Kandidat ins Rennen gegangen war. Ein durchaus im Vorfeld diskutierter Plan B wird somit auch nicht greifen: Geselle nach einem Wahlsieg doch wieder irgendwie zu integrieren und am Ende einen SPD-Oberbürgermeister zu stellen.
Heißt: Die SPD wird Ende des Jahres mit hoher Wahrscheinlichkeit so machtlos in dieser Stadt dastehen wie selten: Der Oberbürgermeister ist dann wohl ein Grüner, die beiden SPD-Dezernenten Ilona Friedrich und Dirk Stochla stehen ohne Perspektive da und werden bis dahin ersetzt sein – durch hauptamtliche Magistratsmitglieder, die wiederum aus dem Dunstkreis der Jamaika-Koalition kommen. Denn auch in der Stadtverordnetenversammlung steht die SPD längst im Abseits, seit die grün-rote Koalition im Sommer des vergangenen Jahres zerbrochen ist und sich ein Bündnis aus Grünen, CDU und FDP gebildet hat.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass die SPD, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit einer Ausnahme immer den Oberbürgermeister stellte, noch nie so sehr am Boden lag wie derzeit in Kassel. Zumal: Sie ist auch zerstritten wie nie zuvor. Auf der einen Seite der linke Flügel, auf der anderen die Geselle-Unterstützer – und die Frage stellt sich, wie das auf die Schnelle wieder zusammengefügt werden soll. Schließlich finden im Herbst erneut Wahlen statt. Dann geht es um den Hessischen Landtag. Die SPD rechnet sich mit Spitzenkandidatin Nancy Faeser Chancen aus, die schwarz-grüne Regierung abzulösen. Allerdings braucht es dazu eine starke SPD in Nordhessen.
Bezirksvorsitzender Timon Gremmels setzt darauf, dass beide Seiten aufeinander zugehen – und verweist auf die Vergangenheit: Nach der Kommunalwahl 2021 und dem Sieg der Grünen habe er ein halbes Jahr später das Direktmandat für den Bundestag erreicht. Er will damit sagen, dass sich innerhalb kürzester Zeit viel ändern kann.
Nur: Wird das ohne personelle Konsequenzen gehen? Kassels Parteivorsitzender Ron-Hendrik Hechelmann erklärte gestern Mittag, er würde das Amt gern weiter ausführen – auch über den Juni hinaus, wenn wieder Vorstandswahlen anstehen. Er sagt: „Ich möchte Parteivorsitzender bleiben, denn was die SPD in Kassel jetzt braucht, ist Stabilität.“
Allerdings gibt es intern Kritik an ihm – vor allem natürlich von den Geselle-Unterstützern. Angeblich soll es schon Rücktrittsforderungen gegeben haben. Manche bringen auch eine Doppelspitze ins Spiel: mit einem aus dem linken Lager und einem aus dem konservativen. Hechelmann sagt mit Blick auf den Juni: „Teamarbeit ist mir im Vorstand wichtig, egal ob als alleiniger Vorsitzender oder in der Doppelspitze. Das Miteinander ist wichtig.“
Hechelmann selbst bewirbt sich auch um ein Mandat im Landtag, ist Direktkandidat im Kasseler Westen. Im Osten tritt mit Esther Kalveram die derzeitige Landtagsabgeordnete an, die zu Hechelmanns Kritikerinnen zählt. Jetzt kämpfen sie für ein gemeinsames Ziel. Hechelmann will die Kehrtwende über Themen schaffen. Er sagt: „Ich bin der Überzeugung, dass uns nur unsere guten Inhalte wieder zusammenführen. Dafür braucht es Gespräche und einen gemeinsamen Prozess.“ Ob es für das Zwischenmenschliche in naher Zukunft einen Mediator braucht? „Es ist nie falsch, Hilfe anzunehmen. Wenn die Mehrheit sich einen Mediator wünscht, halte ich es für den richtigen Weg“, sagt er. (Florian Hagemann)