Kassel. Die Martinskirche in der Innenstadt wird ab dem Sommer umfassend renoviert. Das hat Kassels größtes Gotteshaus auch dringend nötig: Bei größeren Veranstaltungen in der Kirche richten sich die Blicke der Besucher oft mit Besorgnis nach oben, denn in dem Deckengewölbe klaffen bereits große Risse.
2,5 Millionen Euro sind für die Generalsanierung des Innenraums veranschlagt, die voraussichtlich bis Ende 2015 dauern wird. Die Kosten teilen sich die evangelische Landeskirche, der Stadtkirchenkreis Kassel und die Martinskirchengemeinde. Es ist die erste größere Innenrenovierung seit dem Wiederaufbau der Kirche Ende der 50er-Jahre. Im Zweiten Weltkrieg war die Kirche durch Bomben stark zerstört worden.
Marode Technik
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Neben dem sichtbaren Sanierungsbedarf des Gewölbes ist vor allem die Technik überholt: Insbesondere die Starkstromanlage sei veraltet und müsse auch aus Sicherheitsgründen dringend erneuert werden, sagt Pfarrer Dr. Willi Temme. Mehr ins Auge fallen werden allerdings die Veränderungen im Kirchenschiff: Der Holzboden unter den Kirchenbänken hat ausgedient, stattdessen soll ein einheitlicher Steinboden verlegt werden. Nur im Altarbereich bleibt der alte Steinboden erhalten. Die Bankreihen sollen durch einzelne Stühle ersetzt werden, um bei der Bestuhlung flexibler zu werden. Auch die Seitenbänke werden in diesem Zuge entfernt. „Insgesamt wird man nach der Renovierung einen großzügigeren Raumeindruck haben“, sagt Inge Böhle, leitende Pfarrerin der Kirchengemeinde Kassel-Mitte, zu der die Martinskirche gehört.
Neue Wandverkleidung
Auch die Wandverkleidung wird herausgerissen und komplett erneuert, erläutert Dr. Hans Helmut Horn vom Kirchenvorstand. Durch die Hitze der Bombennacht 1943 war die alte Kirchenmauer aus Sandstein so stark zerklüftet, dass sie mit Spritzbeton und einem vorgesetzten Lattengerüst geebnet werden musste. Von Innen sind nur die weißen Akustikplatten zu sehen, die auf die Unterkonstruktion gesetzt wurden. An einigen Stellen ist die Wand für Voruntersuchungen bereits freigelegt worden und gibt den Blick auf die verschiedenen Schichten frei. Auch am Deckengewölbe wurde sicherheitshalber um die Risse schon Putz abgeklopft. Es bestand die Gefahr, dass sich kleine Brocken lösen und Kirchenbesucher verletzen könnten.
Eine weitere Verbesserung nach dem Umbau wird sich bei Konzerten und anderen Kulturveranstaltungen, die in der Kirche stattfinden, bemerkbar machen: Während bisher jeder Veranstalter selbst seine Beleuchtung aufbauen musste, sind künftig feste Scheinwerfer installiert. Und auf noch eine Neuerung freut sich die Gemeinde: Zeitgleich mit der Renovierung beginnen auch die Vorarbeiten für den Einbau einer neuen Orgel. 2017, wenn die Kirche ihr 650-jähriges Bestehen feiert, soll die Kirche dann optisch und akustisch ganz neu glänzen.
Hintergrund: Sankt Martin - Ursprünge im 14. Jahrhundert
Die evangelische Kirche Sankt Martin ist die größte Kirche in Kassel und Predigtstätte des Bischofs der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Zugleich ist das Gotteshaus, das Platz für 1100 Besucher bietet, der zweitgrößte Veranstaltungsort in Kassel nach der Stadthalle.
Spendenaufruf
Für die Erneuerung der Bestuhlung ist die Kirche auf Spenden angewiesen. Kontakt: Pfarrer Willi Temme, Tel. 0561/77 02 67
Mit dem Bau der gotischen Kirche wurde in der Mitte des 14. Jahrhunderts begonnen. 1462 wurde sie geweiht. Ab 1526, mit der Einführung der Reformation, war die Kirche evangelisch. Baulich vollendet wurde die Kirche erst Ende des 19. Jahrhunderts mit der Errichtung der beiden Türme. Im Zweiten Weltkrieg, in der Bombennacht im Oktober 1943, wurde die Kirche fast vollständig zerstört.
Ab 1953 wurde sie nach den Plänen des Trierer Baurats Heinrich Otto Vogel wieder aufgebaut, die Einweihung war 1958. Seitdem hat sie die neu gestalteten Doppeltürme mit ihren kupfernen, blau-grün leuchtenden Spitzen, die die Kirche im Stadtbild hervorstechen lassen. Auch die Teilung in das große Kirchenschiff und den Chorraum besteht seitdem. Der Innenraum blieb weitgehend unverändert. Eine Renovierung der verwitterten Außenmauern der Kirche fand bereits ab dem Jahr 2000 statt.
Von Katja Rudolph