1. Startseite
  2. Kassel

„Mein Leben ist nicht mehr wie vorher“ – Krank nach Corona-Impfung

Erstellt:

Von: Anna-Laura Weyh

Kommentare

Knapp fünf Millionen Menschen haben sich in Hessen gegen Covid-19 impfen lassen. Einige sind danach schwer erkrankt. Einer von ihnen ist Dieter Gebert aus Kassel.

Kassel – Dieter Gebert aus Kassel bekommt seine erste Corona-Schutzimpfung im März 2021. „Kurz darauf habe ich Tinnitus-ähnliche Beschwerden bekommen“, sagt der 59-Jährige. An die Impfung als Auslöser habe er zu diesem Zeitpunkt noch lang nicht gedacht. Er habe auf ärztliche Anweisung eine medikamentöse Therapie begonnen, aber das Pfeifen in seinem Ohr sei geblieben.

Im Mai 2021 folgt seine zweite Corona-Schutzimpfung. „Ich war dann mit meiner Frau an der Nordsee im Urlaub. Dort konnte ich plötzlich nur noch sehr schlecht laufen und hatte Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten“, sagt Gebert. Seine Bewegungen seien roboterähnlich gewesen und er habe sich kaum konzentrieren können.

Ein ganzer Ordner voller Arztberichte: Dieter Gebert aus Kassel war wegen seiner Symptome in vielen Praxen, doch helfen konnte ihm noch niemand.
Ein ganzer Ordner voller Arztberichte: Dieter Gebert aus Kassel war wegen seiner Symptome in vielen Praxen, doch helfen konnte ihm noch niemand. © Anna Weyh

Wegen seiner bereits bestehenden Narkolepsie-Erkrankung, bei der die Schlaf-Wach-Regulation im Gehirn gestört ist, beginnt Gebert im Januar 2022 eine Reha von sieben Wochen. Dort erfolgt die dritte Impfung – das war Voraussetzung, um in der Rehaklinik bleiben zu können, sagt er. „Ich bin dann völlig zusammengebrochen. Es ging nichts mehr“, so Gebert.

Post-Vac nach Corona-Impfung bei Mann aus Kassel: „Ich bin dann völlig zusammengebrochen“

Die Beschwerden, die akut hinzugekommen seien und sich durch eine Corona-Infektion im Oktober 2022 noch verstärkten, hätten seinen Zustand weiter drastisch verschlimmert. „Mein Leben ist seitdem nicht mehr wie vorher“, sagt Gebert. Er leide an Schwindel, Sehstörungen und ständiger Erschöpfung. Ein wahrer Ärztemarathon beginnt, niemand habe ihm helfen können, so der Kasseler. „Meine Gleichgewichtsprobleme und die Schwierigkeiten beim Laufen haben nichts mit der Narkolepsie zu tun, das haben mir die Ärzte bestätigt.“

Irgendwann äußert der erste Mediziner einen Verdacht: Geberts Beschwerden stehen in Zusammenhang mit der Impfung. Gleichzeitig schließen andere Krankenhäuser aus, dass seine motorischen Probleme eine orthopädische Ursache haben. Die Dokumente seiner Arztbesuche füllen einen ganzen Ordner. Ein weiterer Arzt bestätigt ihm den Zusammenhang zwischen seinen Beschwerden und der Corona-Schutzimpfung.

Der gelernte Drucker, der in Hessisch Lichtenau arbeitet, hat im Mai 2022 eine Wiedereingliederung begonnen, die noch läuft. „Ich bin noch immer nicht besonders leistungsstark. Aber nur zuhause zu sitzen, macht es nur schlimmer“, sagt Gebert. Sein Chef komme ihm entgegen und zeige viel Verständnis. Aktuell arbeitet Dieter Gebert etwa vier Stunden pro Tag mit längerer Pause zwischendurch und bediene nur kleine Maschinen. „Dafür bin ich sehr dankbar. Das Arbeiten tut mir gut.“

Krank nach Corona-Impfung: Hoffnung bei Mann aus Kassel in Post-Vac-Sprechstunde

Laut Krankenkasse soll seine Wiedereingliederung nun enden. Gebert werde sie aber „auf eigene Kosten“ weiterführen, wie er sagt. Er habe einige Urlaubstage ansammeln können und werde in den nächsten Monaten je einen halben Tag arbeiten und einen halben Tag Urlaub nehmen. „Das ist meine Lösung bis Ende des Jahres. Was dann passiert, muss ich sehen“, sagt er.

Seine Hoffnung liege aktuell auf seinem Termin in der Post-Vac-Sprechstunde am Universitätsklinikum Marburg. Im Mai 2022 habe er sich auf die Warteliste setzen lassen. Am 11. Mai ist nun endlich sein Termin – ein Jahr Wartezeit, weil die Ambulanz nahezu die einzige Anlaufstelle in Deutschland für Betroffene mit gesundheitlichen Problemen nach der Corona-Impfung ist.

„Ich will die Impfung nicht verteufeln. Aber man muss sich jetzt damit befassen“, sagt Gebert. Er fühlt sich im Stich gelassen. „Ich habe mich aus Solidarität impfen lassen, aber wo ist jetzt die Solidarität mit mir?“

Fragen und Antworten zum Post-Vac-Syndrom

Schmerzen an der Einstichstelle, Ermüdung, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und Schüttelfrost gehören laut Robert-Koch-Institut (RKI) zu den normalen Reaktionen auf eine Corona-Schutzimpfung. Beim Post-Vac-Syndrom bleiben die Beschwerden jedoch dauerhaft, und die Symptome können vielfältig sein.

Was ist das Post-Vac-Syndrom?

Das Post-Vac-Syndrom betrifft gesundheitliche Beeinträchtigungen nach einer Impfung, die auch den Symptomen bei Long Covid ähneln, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Zu den Symptomen zählen Kopfschmerzen, Migräne, Schwindel und Übelkeit, aber auch Herz-Kreislauf-Beschwerden, Bewegungsstörungen sowie Atemnot.

Das Phänomen ist nur wenig erforscht. Die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder haben deshalb kürzlich den Bund gebeten, die Forschung zum Post-Vac-Syndrom zu intensivieren und stärker zu fördern.

Wie viele Menschen sind davon betroffen?

Dem Paul-Ehrlich-Institut liegen bis Ende Februar und damit nach insgesamt 192 Millionen Covid-19-Impfungen mehr als 50 000 Verdachtsfälle über schwerwiegende Nebenwirkungen nach Grundimmunisierung plus Booster-Impfung von Betroffenen vor. Aber nur ein kleiner Teil dieser Fälle stehe tatsächlich mit dem Post-Vac-Syndrom in Verbindung, heißt es: „Allein aus der Anzahl der Verdachtsfallmeldungen kann nicht auf die Häufigkeit von Nebenwirkungen geschlossen werden“, so ein Sprecher des Instituts. Nebenwirkungen seien außerdem nicht identisch mit Impfschäden.

In Hessen seien bisher insgesamt 565 Anträge aufgrund eines Impfschadens wegen einer Impfung gegen Covid-19 gestellt worden. Das teilt das Regierungspräsidium (RP) Gießen mit und verweist dabei auf das Hessische Amt für Versorgung und Soziales Fulda, das für alle Anträge aufgrund von dauerhaft bestehenden gesundheitlichen Schädigungen infolge einer Impfung zuständig sei.

Von den Anträgen seien bislang 27 positiv beschieden und 292 Anträge abgelehnt worden. Fünf Anträge wurden laut RP zurückgenommen, sodass aktuell noch 241 Anträge in Bearbeitung seien.

Zum Hintergrund: In Hessen sind laut RKI mittlerweile 4,8 Millionen Menschen durch Corona-Schutzimpfungen grundimmunisiert, 3,9 Millionen Menschen davon haben zusätzlich noch eine Auffrischungsimpfung bekommen.

Wo finden sie Hilfe?

Es gibt es bisher die Spezialambulanz am Universitätsklinikum Marburg für Patientinnen und Patienten mit dem Verdacht auf das Post-Vac-Syndrom. Außerdem gibt es in Deutschland mehrere Post-Covid-Sprechstunden, etwa am Herz-Kreislauf-Zentrum in Rotenburg oder an der Charité in Berlin. Aufgrund der Ähnlichkeit der Symptome werden an diesen Stellen vereinzelt auch Post-Vac-Betroffene behandelt.

Dennoch reichen die Anlaufstellen bei Weitem nicht aus: Es stehen 7000 Menschen auf der Warteliste für die Post-Vac-Ambulanz in Marburg, berichten verschiedene Medien. Die Sprechstunde sei völlig überlastet und bis ins nächste Jahr ausgebucht. Bei 500 von 600 Patientinnen und Patienten habe Prof. Dr. Bernhard Schieffer, Leiter der Ambulanz, den Verdacht auf Post-Vac bestätigen können, heißt es.

Es sei in vielen Fällen aber nicht einfach zu ermitteln, ob die Corona-Impfung oder die Corona-Infektion Ursache der Beschwerden sei. Der Kardiologe kritisiert auch die Bundesregierung scharf: Sie habe sich nicht um Hilfe für die Betroffenen gekümmert. Eine Interview-Anfrage der HNA ließ Schieffer unbeantwortet.

Wie sieht es in Kassel aus?

In Kassel gibt es keine Anlaufstellen für Betroffene. Dr. Martin Schreiber, Allgemeinmediziner und Arzt für Homöopathie, behandelt aber mehrere Menschen in seiner Praxis, die in ihren gesundheitlichen Problemen einen Zusammenhang mit der Corona-Schutzimpfung sehen. Häufig beobachte er bei jungen Frauen Zyklusprobleme.

Die Periode komme unregelmäßig oder bleibe ganz aus. „Ich sehe oft auch Gürtelrose oder Pfeiffersches Drüsenfieber als Impfnebenwirkung“, sagt er. „Nahezu alle Körper von erwachsenen Menschen tragen diese Viren in sich. Aber eigentlich schafft es unser Immunsystem, diese in Schach zu halten“, so Schreiber.

Durch die mRNA-Impfung werde das Immunsystem jedoch geschwächt, sagt er. „Bereits vorhandene körperliche Schwachstellen brechen auf, ruhende Viren werden aktiviert oder neue Krankheiten entstehen“, so der Mediziner. Ihm begegnen in seiner Praxis auch Fälle von Herzmuskelentzündung, Hautveränderungen und Mikroblutungen oder das chronische Müdigkeitssyndrom, sagt Schreiber.

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion