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Mit dem DRK in Kassel unterwegs zu Notfällen, Bagatelleinsätzen und Krankentransporten

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Von: Anna Weyh

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Checken die Ausrüstung im Einsatzwagen: die DRK-Notfallsanitäter Vanessa Heeb und Andreas Brämig.
Checken die Ausrüstung im Einsatzwagen: die DRK-Notfallsanitäter Vanessa Heeb und Andreas Brämig. © Anna Weyh

Bei einem Notfall rufen wir die 112, und Rettungskräfte eilen zu Hilfe. Aber wie sieht eigentlich der Alltag eines Notfallsanitäters aus? Wir waren dabei.

Kassel – Treffpunkt: 7.30 Uhr an der Rettungswache des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) an der Loßbergstraße in Kassel. Die Notfallsanitäter Andreas Brämig und Vanessa Heeb ziehen ihre rot-gelben Dienstbekleidung an. Wie jeden Tag startet ihre Schicht mit einem Corona-Test – die Ergebnisse sind negativ.

Weiter geht es zum Einsatzfahrzeug: Was Laien einen Krankenwagen nennen, bezeichnen die 150 Mitarbeitenden des DRK-Rettungsdienstes und ihre knapp 30 Auszubildenden als Mehrzweckfahrzeug. Diese können als Rettungs- und Krankentransportwagen gleichermaßen genutzt werden. „Hier ist alles drin: EKG, Beatmungsgerät, Absaugpumpe, Blutzuckermessgerät“, zählt Andreas Brämig auf.

Sorgfältig checkt er mit seiner Kollegin die Ausrüstung und dokumentiert alles. Die elektronischen Geräte werden getestet, die Medikamentenbestände geprüft. „Heute fahre ich, Vanessa ist hinten bei den Patienten. Wir wechseln uns damit ab.“ Andreas Brämig arbeitet bereits seit 33 Jahren beim DRK im Rettungsdienst. Eigentlich hat er Elektroinstallateur gelernt und den damaligen Umbau der DRK-Wache am Königstor begleitet. „Das hat mich begeistert. Ich bin einfach hängengeblieben“, sagt der 56-Jährige, der über viele Jahre in der Ausbildung tätig war und im Rettungshubschrauber mitgeflogen ist.

Die beiden Notfallsanitäter, die seit drei Jahren ein festes Team bilden, melden sich einsatzbereit. Ab sofort können sie alarmiert und zu einem Notfall gerufen werden. „Kaffee“, fragt Vanessa Heeb. „Man muss eine ruhige Minute nutzen. Manchmal gibt es davon nicht so viele.“ Der Funkmeldeempfänger beginnt energisch zu piepsen: „Verdacht auf Schlaganfall.“ Sie eilen zum Wagen und fahren mit Blaulicht und Sirene los.

„Wir verlieren keine Zeit, aber meist kommt es auch nicht auf Sekunden an. Ich würde beim Fahren nie etwas riskieren“, sagt Andreas Brämig und fährt mit Schrittgeschwindigkeit in eine Kreuzung ein. Die Patientin, zu der der Rettungsdienst gerufen wird, liegt in einer Kasseler Fachklinik. Dort ist sie operiert worden und zeigt nun Anzeichen eines Schlaganfalls. Die Sprache der Seniorin ist verwaschen, ihr Arm geschwollen und unbeweglich, heißt es vor Ort.

Wann wähle ich welche Nummer?

112: medizinische Notfälle, die umgehende Behandlung bedürfen (Verletzungen, Brustschmerzen, Atemnot, Schlaganfall), Situationen, die Einsatz der Feuerwehr erfordern (Brand, Brandgeruch, Gasaustritt, Unfall), Krankentransporten bei Vorliegen eines Transportscheins

110: Verkehrsunfällen ohne Personenschaden (Wildunfall), in Situationen, die in Einsatzbereich der Polizei fallen (Raub, Betrug, Drohung)

116 117: Erkrankungen, die ohne Zeitnot durch Hausarzt behandelbar sind und akut keine Lebensgefahr bedeuten, Auskünfte zu diensthabenden Bereitschafts- und Fachärzten

Vanessa Heeb und Andreas Brämig bringen sie in die nächstgelegene Neurologie. Dort sei alles mit dem zuständigen Arzt abgesprochen, heißt es. Doch der weiß kaum etwas. „Die Kommunikation ist manchmal nicht gut. Früher habe ich mich darüber geärgert, aber leider ändert es nichts“, sagt Andreas Brämig. „Wir schauen, dass wir unsere Arbeit gut machen.“

In der Klinik begrüßen sie Kolleginnen und Kollegen aus dem Rettungsdienst der Feuerwehr, des ASB oder der Johanniter. Manche umarmen sich. Von Konkurrenz keine Spur. „Wir machen doch alle das Gleiche“, sagt Vanessa Heeb, die seit drei Jahren beim DRK beschäftigt ist und zuvor 17 Jahre lang bei den Johannitern gearbeitet hat.

Die 41-Jährige hat Grundschullehramt studiert und währenddessen ehrenamtlich in den Rettungsdienst reinschnuppern können. „Ich habe gemerkt, das ist mein Ding.“ Sie ist auch in der Ausbildung beim DRK aktiv und kann so den Spaß am Lehren mit dem Rettungsdienst verbinden. Noch in der Klinik desinfizieren die Notfallsanitäter die Patiententrage. Der nächste Einsatz folgt direkt: ein Krankentransport. „Auch solche Einsätze fahren wir oft“, sagt Andreas Brämig. Der Patient kann im Sitzen transportiert werden. „Das hätte auch ein Krankenwagen übernehmen können. So wird dafür ein gut ausgestattetes Fahrzeug und zwei gut ausgebildete Fachkräfte beschäftigt.“

In Kassel gebe es zum Glück ausreichend Rettungsmittel, sagt er. „So können wir die Patienten jederzeit optimal versorgen und betreuen, denn Fürsorge ist genauso wichtig, wie die medizinische Versorgung.“

Zu den Krankentransporten kommen auch viele Bagatelleinsätze. Er sei schon wegen eines Wadenkrampfs oder eines eingerissenen Zehennagels gerufen worden. „Kollegen kamen kürzlich zu einer älteren Frau nach Hause, und sie fragte, ob sie ihr ein Schnitzel braten können“, sagt Andreas Brämig und unterscheidet zwei Gruppen voneinander:

Es gebe Menschen, die sich hilflos fühlen und niemanden erreichen. „Auch wenn es nicht nötig gewesen wäre, uns zu rufen, sind wir natürlich da und helfen.“ Aber einige rufen den Rettungswagen auch bewusst, wenn kein Notfall vorliege. „Etwa weil sie denken, in der Notaufnahme geht es schneller, wenn sie mit einem Rettungswagen eingeliefert werden.“ Das sei besonders für junge Menschen ernüchternd. „Man macht die Ausbildung, um Menschenleben zu retten.“

Lebensrettende Einsätze kommen laut den Notfallsanitätern gar nicht so häufig vor. Doch an diesem Tag ist das der Fall. Wegen einer Tachykardie, also einem zu schnellen Herzschlag, werden sie alarmiert. In kaum zwei Minuten sind sie vor Ort. Ein älterer Mann sitzt blass auf einem Stuhl im Wohnzimmer. Das EKG zeigt: Anstatt wie im Normalfall 60 bis 90 mal pro Minute, schlägt das Herz des Seniors 170 mal. Er klagt über Schwindel und Übelkeit. Andreas Brämig und Vanessa Heeb handeln schnell und präzise, ohne in Hektik zu verfallen, und geben dem Patienten und seiner besorgten Ehefrau gleichzeitig ein Gefühl von Sicherheit.

„Wir brauchen hier einen Notarzt.“ Medikamente dürfen sie bei dieser Art Notfall nicht geben. Sie legen dem Mann einen venösen Zugang und beginnen mit einer Elektrolyt-Infusion. Nachdem der Patient die Medikamente vom Notarzt bekommen hat, normalisiert sich der Herzschlag langsam. „So einen Notfall hatte ich länger nicht“, sagt Andreas Brämig. Sein Job begeistert ihn noch immer. „Jeder Tag ist anders. Ich muss mir zu helfen wissen. Ich sage immer, wir sind Problemlöser.“

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