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Er kann es nicht verstehen: Mann aus Fuldatal hängt im Gaza-Streifen fest

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Von: Martina Heise-Thonicke

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Zermürbendes Warten: Ahmed Tubail mit seiner Mutter, die er zuvor vier Jahre lang nicht gesehen hatte. Foto:  privat
Zermürbendes Warten: Ahmed Tubail mit seiner Mutter, die er zuvor vier Jahre lang nicht gesehen hatte. Foto:  privat

Kassel. Warum der Mann aus Fuldatal den Gazastreifen nicht verlassen darf, versteht er nicht. Seit 16 Wochen sitzt Ahmed Tubail dort fest. Der Mitarbeiter der Uni Kassel war in das palästinensische Autonomiegebiet gereist, um seine kranke Mutter zu besuchen.

Ahmed Tubail ist sehr froh, dass es seiner 82-jährigen Mutter, die wie sein Bruder im palästinensischen Autonomiegebiet Gaza-Streifen lebt, wieder besser geht. „Es hat ihr gut getan, dass sie uns gesehen hat“, sagt der 49-jährige Fuldataler, der mit seiner in Kanada lebenden Schwester in sein Geburtsland reiste, weil der Zustand der Mutter, die im Krankenhaus lag, sehr ernst war.

Unterstützung durch Uni

Seit vielen Wochen jedoch sehnt er sich nach seiner Familie, seiner deutschen Frau, den beiden Kindern. Die Tochter bekommt bald Ferien, der Sohn studiert. „Das Warten ist für meine Familie zermürbend“, schildert Ahmed Tubail den ständigen Wechsel zwischen Hoffen und Bangen. Dankbar ist er vor allem auch seinem Arbeitgeber, der Universität Kassel, die ihn unterstützt und zur Seite steht, wie uns ein Vorgesetzter bestätigte. Er sei aus humanitären Gründen dort eingereist und unverschuldet in diese Situation geraten. Tubail ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des International Center for Higher Education Research an der Universität Kassel. Er versuche, auch aus der Ferne etwas zu arbeiten. Was jedoch wegen der Störungen im Internet und der oft stundenlangen Stromsperren schwierig sein, schildert Tubail.

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Glücklicherweise sei die Situation im Gaza-Streifen seit seiner Ankunft relativ ruhig. Es habe keine militärischen Aktionen gegeben. „Aber die Unsicherheit ist immer da. Es gibt keinen Ort, wo man sich sicher fühlen kann. Man muss immer damit rechnen, dass es zu Bombenexplosionen oder Raketeneinschlägen kommen kann.“ Der Familienvater kann nicht verstehen, woran seine Ausreise scheitert, zumal seine Schwester und zehn weitere Kanadier mit Hilfe der kanadischen Vertretung in Ramallah relativ schnell wieder Gaza verlassen konnten. „Ich bin deutscher Bürger, man muss doch in der Lage sein, die nötigen Papiere zu beantragen“, sagt er zu den bisher erfolglosen Bemühungen deutscher Behörden.

In Kontakt mit Vertretung

Das deutsche Vertretungsbüro in Ramallah und das Verbindungsbüro in Gaza-Stadt setzen sich gemeinsam mit der Botschaft Tel Aviv regelmäßig für Deutsche ein, die den Gaza-Streifen nicht mehr verlassen können, heißt es dazu vom Auswärtigen Amt auf eine HNA-Anfrage. Einzelheiten wurden auch aus Gründen des Datenschutzes nicht genannt. Die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes stünden mit dem Betroffenen und Angehörigen in Kontakt und leisteten Unterstützung, um die Ausreise zu beschleunigen.

Auf der Internetseite weist man im Zusammenhang mit einer Reisewarnung für den Gaza-Streifen darauf hin, dass die zuständigen deutschen Auslandsvertretungen im Gazastreifen praktisch keine konsularische Hilfe leisten könnten. Gleiches gelte für die Ausreise. Insgesamt sollen derzeit 92 deutsche Staatsbürger palästinensischer Herkunft in Gaza festsitzen.

Hintergrund

Einreise ohne Probleme – Ausreise hängt an jordanischer Erlaubnis

Der einzige Personenübergang zwischen Israel und dem palästinensischen Autonomiegebiet Gaza-Streifen ist derzeit im nordöstlich gelegenen Erez. Dieser sei insbesondere für humanitäre Fälle und internationale Organisationen geöffnet, erläutert das Auswärtige Amt auf seiner Internetseite. Über diesen Grenzübergang ist auch Ahmed Tubail in den Gaza-Streifen gelangt.

Er kam über Amman (Jordanien) und passierte mit israelisches Genehmigung israelisches Gebiet. Über diesen Weg möchte er auch wieder zurück. Auch israelische Tageszeitungen und Medien berichten darüber, dass Jordanien jedoch offenbar auch Bewohnern des Gaza-Streifens, die ins Ausland reisen wollen, die Ausreise zunehmend erschwert. So können palästinensischstämmige Ausreisewillige den abgeriegelten Küstenstreifen per Transit durch Israel nur verlassen, wenn sie ein besonderes Visum von Jordanien vorweisen können, auch bekannt als das „Keine Einwände“-Papier.

Eben auf dieses wartet Ahmed Tubail: „Israel besteht darauf, dass das Papier da ist.“ Die Ausreise über den internationalen Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv ist keine Option, da Israel palästinensischstämmigen Ausreisewilligen in Gaza dies nur unter dringenden humanitären Umständen erlaubt.

Die Hoffnung, über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten ausreisen zu können, hatte sich am vergangenen Montag zerschlagen. Dieser wird nur noch in unregelmäßigen Abständen und jeweils nur wenige Tagen und Stunden geöffnet. Die Sicherheitslage in Israel und den Palästinensischen Gebieten ist wesentlich vom israelisch-palästinensischen Konflikt geprägt. Vor Reisen in den Gaza-Streifen wird vom Auswärtigen Amt dringend gewarnt.

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