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GdP-Vertreter: „Müssen jeden Tag unser Leben riskieren“

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Von: Ulrike Pflüger-Scherb

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Vor dem Polizeipräsidium Nordhessen wurden am Montag Blumen abgelegt.
Vor dem Polizeipräsidium Nordhessen wurden am Montag Blumen abgelegt. © Ulrike Pflüger-Scherb

Die beiden GdP-Vorsitzenden Stefan Rüppel und Lars Elsebach über den Doppelmord an den beiden Polizisten aus Rheinland-Pfalz.

Kassel – Der Doppelmord an zwei Polizisten, einem 29-jährigen Kommissar und einer 24-jährigen Polizeianwärterin in Rheinland-Pfalz, sorgt für Bestürzung und Schrecken. Zwei Wilderer aus dem Saarland sind dringend verdächtig, die beiden am frühen Montagmorgen bei einer Verkehrskontrolle erschossen zu haben. Über die Reaktionen und die Stimmung bei der nordhessischen Polizei nach diesem Verbrechen haben wir mit Stefan Rüppel, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordhessen, und Lars Elsebach, Vorsitzender der GdP Kassel, gesprochen.

Was haben Sie gedacht, als Sie am Montag von dem Tod der beiden Kollegen in Rheinland-Pfalz gehört haben?

Stefan Rüppel: Da läuft es einem eiskalt den Rücken runter. Als ich das erfahren habe, dachte ich zunächst, dass die beiden bei einer Kontrolle auf Schwerkriminelle getroffen sind, auf Bankräuber oder Automatensprenger.

Lars Elsebach: Die Täter haben mit einem Jagdgewehr und einer Schrotflinte auf unsere Kollegen geschossen. Bei solch einer Kaltblütigkeit denkt man an Mafiastrukturen, aber nicht an eine Lappalie wie Wilderei. Rüppel: Was wäre den Tatverdächtigen denn passiert? Sie hätten vermutlich die Waffen abgegeben und eine Geldstrafe wegen der Wilderei zahlen müssen.

Der Vorfall zeigt, dass Polizisten immer mit dem Schlimmsten rechnen müssen.

Rüppel: Das stimmt. Man weiß nie, auf wen man trifft. So ein Ereignis zeigt, wie gefährlich unser Beruf ist.

Elsebach: Auch eine Routine-situation kann lebensgefährlich werden. Wir müssen jeden Tag unser Leben riskieren, auch für banale Dinge. Und wir als Polizisten müssen oft in Sekunden entscheiden, was richtig und falsch ist. Ein Richter in Robe hat dafür in der Regel tagelang Zeit.

Wie haben Ihre Kollegen im Polizeipräsidium Nordhessen auf den Doppelmord reagiert?

Rüppel: Mit einer ganz großen Betroffenheit und Traurigkeit. Hinzu kommt, dass am Dienstag Kollegen in Frankenberg auf einen Mann schießen mussten, nachdem sie von ihm mit einem Messer angegriffen worden waren.

Aber nicht alle Menschen scheinen Mitgefühl mit den getöteten Beamten zu haben, wie man im Internet sehen kann.

Rüppel: Beim Messengerdienst Telegram kursieren Stimmen, die sind ganz fürchterlich. Dort hieß es am Montag zum Beispiel, dass man hofft, dass die Täter nicht gefasst werden. Ein anderer Nutzer schrieb, dass es sich um Notwehr gehandelt haben könnte und Polizisten auch nicht „ohne“ seien. Es gibt einfach immer mehr Gruppierungen in der Gesellschaft, die den Staat hassen und dann so einen Scheiß schreiben, wenn junge Polizisten erschossen werden. Das macht mir Angst.

Elsebach: Da wird eine 24-jährige Frau aus dem Leben gerissen, und eine Gruppe im Netz macht sich einfach lustig darüber. So etwas ist menschenverachtend.

Woran liegt es, dass die Kritik an der Polizei in Deutschland in den vergangenen Jahren dermaßen zugenommen hat?

Elsebach: Es ist merkwürdig, was da zum Teil abläuft. So ist zum Beispiel die berechtigte Kritik an dem Fehlverhalten der Polizei in den USA nach der Tötung von George Floyd direkt auf Deutschland übertragen worden. Hier hat sich eine Demobewegung formiert, als ob deutsche Polizisten für die Tat verantwortlich gewesen wären.

Immer mehr Bürger beschweren sich auch darüber, dass sie zu hart von der Polizei angegangen werden. Kürzlich hat sich zum Beispiel ein Mann, der kurzzeitig Tatverdächtiger bei einem Brand war, darüber beklagt, dass ihm Handschellen angelegt worden sind und sein Rucksack durchsucht worden ist. Haben die Bürger zu wenig Verständnis für die Polizei?

Elsebach: Das Verständnis ist bei vielen Menschen nicht mehr vorhanden, dass wir das Gewaltmonopol im Staat haben und durchsetzen müssen. Ein kooperativer Bürger muss keine rustikalen Eingriffe durch Beamte befürchten. Aber viele glauben, sie sind immer im Recht, müssen alles mit dem Handy filmen und jede Maßnahme infragestellen.

Rüppel: Das ist manchmal auch eine Gratwanderung. Zur Eigensicherung unserer Kollegen gehört auch, dass sie ab und an Verdächtige mit Handschellen fesseln, ihre Sachen durchsuchen und sie mit zur Wache nehmen müssen.

Wird die Polizei noch respektiert?

Elsebach: Der Respekt auf der Straße schwindet mehr und mehr. Polizisten werden immer öfter Opfer von Anfeindungen.

Rüppel: Durch Corona hat diese Entwicklung noch zugenommen. Wir verkörpern den Staat und sind deshalb für viele auf der falschen Seite.

Zu den Personen

Stefan Rüppel
Stefan Rüppel, Vorsitzender der GdP in Nordhessen © Ulrike Pflüger-Scherb

Stefan Rüppel (49) ist seit 2011 Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Nordhessen. Der Polizeihauptkommissar ist Mitglied des Personalrats im Polizeipräsidium Nordhessen.

Lars Elsebach
Lars Elsebach, Vorsitzender der GdP Kassel © Privat

Lars Elsebach (48) ist seit 29 Jahren bei der Polizei. Der Kriminalhauptkommissar ist Vorsitzender der GdP Kassel und seit Sommer 2019 Personalratsvorsitzender im Polizeipräsidum Nordhessen.

(Ulrike Pflüger-Scherb)

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