1. Startseite
  2. Kassel

Nach Millionenverlusten: Netcom Kassel trennt sich von Breitbandversorger

Erstellt:

Von: Andreas Hermann

Kommentare

null
Will die nicht mehr wettbewerbsfähige Firmentochter loswerden: die Telekommunikationsgesellschaft Netcom Kassel. Unser Foto zeigt das Logo am Firmensitz am Königstor. © Archivfoto: Peter Ketteritzsch

Die Netcom Kassel will ihre nicht mehr wettbewerbsfähige Unternehmenstochter so schnell wie möglich loswerden. Der Grund: Es gibt Millionenverluste

„Es geht um Schadensbegrenzung“, erklärte dazu Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD). KVV und EAM hätten für diesen „Fehler“ bereits teuer bezahlen müssen. Millionen Euro haben sie in den vergangenen Jahren in die OR Network gesteckt. Nun steht offiziell ein Kaufpreis von 750.000 Euro im Raum. Nur ein einziger Euro davon entfällt auf die Geschäftsanteile, der Rest auf das Gesellschafterdarlehen. Zudem wird Netcom zu einer Liquiditätsreserve verpflichtet. Folge: Aller Voraussicht nach verbleibt ein Nettokaufpreis von gerade einmal 250.000 Euro.

Die Investitionen

Die KVV ist ein Unternehmen der Stadt Kassel. Weil die Stadtverordneten dem Verkauf zustimmen müssen, kam das Thema nun im Finanzausschuss auf den Tisch. Viel Geld haben die Netcom beziehungsweise deren Gesellschafter KVV und EAM in die Finanzierung von Investitionen und in das operative Geschäft der OR Network gesteckt. Bis September summierten sich allein die finanzierten Darlehen auf 5,1 Mio. Euro.

Die Fehleinschätzung

Mit der rund 30 Mitarbeiter zählenden OR Network GmbH wollte die Netcom 2014 ihr Geschäftsfeld erweitern. 2016 übernahm sie die Firma komplett. Sie bietet alternative Breitbandversorgung für Regionen ohne oder mit nur schlechtem Internet an, hat in rund 450 Orten meist Funkverbindungen aufgebaut.

Das Problem: Anbieter wie Telekom und die Deutsche Glasfaser bauen ihre Netze inzwischen auch in den ländlichen Gebieten aus, bieten Datenübertragungsraten von 25 bis zu 100 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) an. Das war von den Verantwortlichen von Network, Netcom und Co. so nicht erwartet worden. Darin liegt die verlustreiche Fehleinschätzung. Netcom hat im Jahresabschluss 2017 ihre OR-Anteile bereits auf Null abgewertet. Als die negative Entwicklung erkennbar wurde, hat die Geschäftsführung die Kosten gesenkt. Im Ergebnis reichte das aber nicht für eine Wende.

Der Verkauf

Um gegen die Telekom mithalten zu können, müssten Network/Netcom das Geschäftsmodell anpassen und erheblich investieren. Die Netcom-Gesellschafter KVV und EAM haben aber entschieden, dass Netcom sich vorrangig beim Ausbau in Nordhessens Landkreisen und des Kasseler FTTH-Netzes engagieren soll. OR Network soll verkauft werden. Man müsse daraus die Lehre ziehen, von extrem komplizierten und riskanten Geschäften die Finger zu lassen, meinte dazu OB Geselle.

Der Käufer

Wie der Kaufinteressent unter diesen Bedingungen mit der OR Network Geld verdienen wolle, fragten etwa Dominique Kalb (CDU) und Lutz Getzschmann (Linke) im Ausschuss. Die Adiuva-Gruppe sei ein Vermögensverwalter, der in mittelständische Unternehmen der Telekommunikationsbranche investiere, berichtete Geselle. Adiuva habe 2017 den Göttinger Telefon- und Internetanbieter Goetel erworben und gehöre zu einer Verlagsgruppe, die Investitionen mit höherer Risikobereitschaft tätigen könne. Welche Erwartung sie habe, sei nicht Sache der Stadt, so der OB: „Das ist Thema des Käufers.“

KVV und EAM sind Gesellschafter

Die Netcom und die Network stellen ein ganzes Geflecht an Beteiligungen und Unternehmen dar. An der Netcom Kassel (offiziell Netcom Kassel Gesellschaft für Telekommunikation mbH) halten die Kasseler Verkehrs- und Versorgungs-GmbH (KVV) und der Energieversorger EAM jeweils 50 Prozent. Die OR Netcom GmbH wurde 2014 durch den damaligen Eigentümer Oliver Reitz zu je 50 Prozent zunächst an die EAM Beteiligungen GmbH (EAM) und die Netcom verkauft. Im Zuge der EAM-Beteiligung an der Netcom im Jahr 2016 erfolgte dann die vollständige Übertragung der OR-Geschäftsanteile auf die Netcom.

Auch interessant

Kommentare