Wirtschaftsjuristin aus Kassel sicher: Rundfunkbeitrag verstößt gegen Grundgesetz
Angeblich soll die Rundfunkgebühr demnächst teurer werden. Eine Kasseler Wirtschaftsjuristin hat sich mit der Finanzierung von ARD und ZDF beschäftigt.
Kassel – Um den Rundfunkbeitrag kommt man nicht herum. 18,36 Euro muss man jeden Monat zahlen, auch wenn man ARD, ZDF und Co. gar nicht nutzt. Die Kasseler Wirtschaftsjuristin Michelle Michel kommt in ihrer Doktorarbeit jedoch zu dem Schluss, dass der Rundfunkbeitrag gegen das Grundgesetz verstößt.
Frau Michel, zahlen Sie im Urlaub Kurtaxe?
Ja, wenn ich in entsprechenden Urlaubsgebieten Urlaub mache, komme ich dieser Zahlungspflicht nach.
Ex-Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof hat den Rundfunkbeitrag mit der Kurtaxe verglichen, die man als Urlauber auch bezahlt, wenn man nicht in den Kurpark geht. Mit dem Rundfunkbeitrag bezahle man für das Recht auf Empfang. Warum verstößt er Ihrer Ansicht nach gegen das Grundgesetz?
Ich habe untersucht, welche Finanzierungsinstrumente der Staat verfassungsrechtlich zur Verfügung hat und inwiefern sich der Rundfunkbeitrag darunter subsumieren lässt: Es gibt Steuern, Beiträge und Gebühren sowie den Tatbestand der Sonderabgabe. Die Legislative nennt das Instrument Rundfunkbeitrag. So liegt es auch erst mal nahe, dass es sich um einen Beitrag handelt. Bei einem Beitrag oder auch einer Gebühr benötigen Sie immer einen individuellen Vorteil, der sich aus der Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung ergibt. Dieser fehlt beim Rundfunkbeitrag.
Haben Sie ein Beispiel?
Wenn Sie einen Personalausweis beantragen, zahlen Sie eine Gebühr für die tatsächliche Beanspruchung einer Leistung. Bei der Kurtaxe zahlen Sie für die Möglichkeit der Inanspruchnahme von besonderen Leistungsangeboten am Kurort, etwa den Kurpark. Das Problem beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist der Finanzierungszweck. Finanziert werden soll ein vielfältiges Angebot, sodass sich jeder seine Meinung bilden kann. Denn im kommerziellen Rundfunk besteht die Gefahr, dass Mindermeinungen kaum berücksichtigt werden, weil sie nicht genügend Quote bringen.

Kritiker bemängeln aber, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk linkslastig sei und es keine Meinungsvielfalt gebe.
Als Wirtschaftsjuristin habe ich mich nicht mit der Frage beschäftigt, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinem Auftrag der Grundversorgung gerecht wird. Mir ging es allein um die Finanzierung. Hier ist es so, dass es bei Beiträgen, Gebühren und auch Sonderabgaben immer einer besonderen individuellen Begründung bedarf, warum der Steuerpflichtige mit einer zusätzlichen Abgabe belastet wird. Ein gutes Beispiel sind Straßenausbaubeiträge. Ist die Straße repariert, in der ich wohne, habe ich einen größeren Vorteil als die Allgemeinheit.
Etwa weil das Grundstück an Wert gewinnt.
Genau. Dass es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, der die Meinungsvielfalt sichert, liegt jedoch nicht nur im individuellen Interesse, sondern gerade im Interesse der Allgemeinheit. Denn wie gefährlich es ist, wenn sich Menschen nur über ganz bestimmte Kanäle informieren und dann mit einem bestimmten Weltbild auf die Straße gehen, haben wir in den vergangenen Jahren gesehen. Insofern kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur über Steuern finanziert werden, nicht über Beiträge, Gebühren oder Sonderabgaben.
Wie realistisch ist es, dass die Politik den öffentlich-rechtlichen Rundfunk irgendwann einmal über Steuern finanziert?
Das kann ich nicht sagen. Schon die Reform der Rundfunkfinanzierung durch den Wechsel von Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag 2013 wurde lange diskutiert. Eine Finanzierung über Steuern wäre jedoch der einzige verfassungsrechtlich zulässige Weg, den auch das Bundesverfassungsgericht in vergangenen Rechtsprechungen vorgezeichnet hat. Die Richter sind der Meinung, dass ein Beitrag immer einer besonderen Begründung bedarf. Gibt es die nicht, ist der Beitrag verfassungswidrig. In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Stromerzeugung heißt es, dass diese so wichtig sei wie das tägliche Brot. Dann könne das Finanzinstrument nur die Steuer sein. Das sehe ich hier auch so.
Die Doktorarbeit „Der Rundfunkbeitrag eine Steuer?“ zum Download
Andere Länder beneiden Deutschland um ARD, ZDF und Co. Viele haben jedoch kein Verständnis für den Rundfunkbeitrag, der bald noch weiter steigen könnte. Wie findet das System mehr Akzeptanz?
Es gibt Statistiken, die zeigen, dass die Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht ausreichend sind hinsichtlich der Meinungsvielfalt. Ich bin keine Medienwissenschaftlerin, die das beurteilen kann. Ich bin aber überzeugt, dass man besser klarmachen muss, für was der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht und was es bedeuten würde, wenn er wegbricht. Würde man ihn über den Steuerhaushalt finanzieren, wäre die Akzeptanz mit Sicherheit höher als durch das Abbuchen von 19 Euro jeden Monat. (Matthias Lohr)