IG Metall erhöht den Druck: Kundgebungen in Kassel und Baunatal

Kassel/Baunatal. Die IG Metall Nordhessen erhöht im Tarifstreit um sechs Prozent mehr Lohn und eine temporäre Arbeitszeitverkürzung den Druck auf die Arbeitgeber. Am Dienstag demonstrierten rund 3000 Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie aus der Region in Kassel.
Dadurch kam es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen im Bereich Holländische/Wiener Straße. Die Gewerkschaft rief die Teilnehmer im Anschluss an die Kundgebung auf, die Arbeit für den Rest des Tages nicht mehr aufzunehmen.
Begleitet von lauten Pfeifen, schrillen Sirenentrönen und Trommelgewittern und mit Transparenten und roten Fahnen ausgerüstet marschierten die Teilnehmer sternförmig zum Platz der Kundgebung an der Ecke Holländische/Wiener Straße. Die auswärtigen Metaller wurden mit Bussen herangeschafft.
Die Vize-Chefin der IG Metall, Christiane Benner, bezeichnete das Angebot der Arbeitgeber – zwei Prozent mehr Lohn und eine Einmalzahlung von 200 Euro – angesichts der guten Auftrags- und Ertragslage der Branche als Provokation. „Den Betrieben geht es hervorragend, und wir wollen unseren Anteil vom Gewinn“, sagte sie. Höhere Löhne stärkten die Binnennachfrage. Gleichzeitig untermauerte sie die Forderung nach einem individuellen Anspruch auf Arbeitszeitverkürzung um bis zu 20 Prozent für die Dauer von maximal zwei Jahren bei Teillohnausgleich sowie nach einem Rückkehrrecht auf die volle Stelle. So sollen Beschäftigte, die die Arbeitszeitreduzierung für die Kindererziehung oder Pflege Angehöriger nutzen, nach dem Willen der Gewerkschaft monatlich einen Ausgleich von 200 Euro, Schichtarbeiter von jährlich 750 Euro brutto erhalten. „Wenn die Arbeitgeber an ihrer Blockade festhalten, zünden wir die nächste Eskalationsstufe“, drohte Benner mit 24-stündigen Warnstreiks.
Zuvor hatte die IG-Metall-Vizeschefin in Nordhessen, Elke Volkmann, die Lohn- und Arbeitszeitforderung als „gerechtfertigt und bezahlbar“ bezeichnet. Wer Kinder erziehe oder Angehörige pflege, leiste gesamtgesellschaftliche Arbeit und habe einen Teillohnausgleich verdient. In dieser Frage könnten sich die Arbeitgeber ihrer sozialen Verantworung nicht entziehen. Auch der Vize-Betriebsratsvorsitzende des Mercedes-Benz-Werks, Rainer Popp, und der Betriebsratschef bei Bombardier, Markus Hohmann, bekräftigten die Forderung nach mehr Geld und „Arbeitszeiten, die zum Leben passen“.
Heute treffen sich die Tarifpartner im Pilotbezirk Baden-Württemberg zur vierten Verhandlungsrunde. Beobachter glauben nicht an einen Durchbruch und damit auch nicht an ein schnelles Ende dieser Tarifauseinandersetzung. Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland bilden gemeinsam den Tarifbezirk Mitte mit rund 400 000 Beschäftigten.

Tausende VW-Beschäftigte bei Kundgebung in Baunatal
„Sechs Prozent mehr Geld sind mehr als angemessen. Auch VW verdient sich dumm und dusselig.“ VW-Betriebsratsvorsitzender Carsten Bätzold machte gestern vor dem Haupttor des VW-Werk Kassel in Baunatal klar, warum es für die 16 600 Beschäftigten mehr Geld geben muss. Rund 4000 Mitarbeiter (Angabe des Veranstalters) nahmen an der Kundgebung der IG Metall am Mittag teil.
Die Tarifverhandlungen zwischen VW-Vorstand und Gewerkschaft waren nach der zweiten Verhandlungsrunde am 11. Januar ergebnislos abgebrochen worden. Mit dem Angebot des Arbeitgebers – eine Einmalzahlung von 200 Euro und zwei Prozent mehr Lohn auf 15 Monate – sind die Metaller jedenfalls nicht einverstanden. „Das war unverschämt“, so Bätzold.
Mit Pfeifen, Trommeln und Plakaten lehnten die Teilnehmer der Veranstaltung zudem eine Gegenforderung des VW-Vorstandes ab: Die Beschäftigten sollen künftig an Silvester oder Weihnachten arbeiten, um sich nach 35 Jahren einen Rentenbaustein von zusätzlich 80 Euro zu erarbeiten. „Heiligabend und Silvester gehören der Familie“ – so war es auf vielen Schildern zu lesen. IG-Metall-Vize Christiane Benner forderte die Menge dazu auf: „Lasst uns mal richtig Lärm machen, damit unsere Botschaft bis Wolfsburg zu hören ist.“
Auch für die Azubis des Autokonzerns wollen Gewerkschaft und Betriebsrat mehr Sicherheit. Sie fordern die Zusage für 1400 Ausbildungsplätze in Deutschland (290 im Werk Kassel) auf fünf Jahre gesehen. Sollten die Arbeitgeber bei der nächsten Runde am 30. Januar nicht reagieren, dann werde es gleich am 1. Februar bei VW zu Warnstreiks kommen, kündigte Bätzold an.
Übrigens: Der Betriebsratschef bewertete die positive Geschäftsentwicklung bei VW so, dass man die „6“ bei der Lohnforderung auch zur „9“ umdrehen könne. „Das sieht auch nicht schlecht aus.“