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Twitter-Ärger im Ortsbeirat: Der umstrittene Ortsvorsteher

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Von: Florian Hagemann

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Der neue Oberzwehrener Ortsvorsteher von Kassel: Philipp Humburg.
Der neue Oberzwehrener Ortsvorsteher: Philipp Humburg. © Dieter Schachtschneider

Mit umstrittenen Tweets über Enteignungen hatte Philipp Humburg für Gesprächsstoff gesorgt. Trotzdem wurde der 24-Jährige zum SPD-Ortsvorsteher von Oberzwehren gewählt.

Oberzwehren – Am Ende dieser ersten Sitzung nach der Kommunalwahl hatte Birgit Hengesbach-Knoop aus dem Ortsbeirat Oberzwehren das Wort. Sie sprach, schaute dabei aus dem Fenster und sagte plötzlich: „Ups, da kommt Pippi Langstrumpf.“ Bei näherem Betrachten stand auf dem Rasen vor der Thomaskirche auf einmal ein Pferd, dessen Erscheinen die Bündnisgrüne zu ihrer Aussage veranlasste.

Das Ganze passte zu einer Sitzung, die ungewöhnlich und ein bisschen anders war als viele davor. Das lag auch daran, dass es diesem Gremium diesmal an der oftmals demonstrierten Einigkeit fehlte. Die Wahl des neuen Ortsvorstehers Philipp Humburg stand sogar kurzzeitig auf der Kippe, nachdem Kritik an dem 24 Jahre alten Sozialdemokraten aufgekommen war – geäußert von CDU und FDP.

Der Grund: Humburgs Aktivitäten in den sozialen Netzwerken, in denen er im Wahlkampf immer wieder Kommentare abgab. Darin forderte er zum Beispiel wiederholt, die Reichen zu enteignen. In einem Tweet heißt es wörtlich: „Nachdem ich alle reichen Leute enteignet, die Mieten bezahlbar und das Rathaus korruptionsfrei gemacht habe, wird das meine Toppriorität.“ Darunter ist ein Spender für Papierhandtücher zu sehen, der gern auf öffentlichen Toiletten hängt.

Joachim Wolf von der CDU sprach von einer großen Verunsicherung in der Bevölkerung und von Existenzangst der Bürger. Die Forderung Humburgs sei unmoralisch: „Ich sehe es mehr als kritisch, ihn zum Ortsvorsteher zu wählen.“ Auch Sascha Bickel von der FDP ging das so, der sich auf die gesamte Aktivität Humburgs in den sozialen Netzwerken bezog: „Solche Äußerungen kennt man nur von ganz rechts oder ganz links.“ Bickel appellierte an SPD und Grüne: „Vielleicht könnt ihr ja einen anderen stellen.“ Joachim Wolf hatte da schon Humburgs Parteikollegen Karl Diele ins Spiel gebracht.

SPD und Grüne zogen sich noch einmal zur Beratung zurück, an der Kandidatur Humburgs zum Ortsvorsteher änderte das nichts. Diele indes gab zu erkennen, dass er für das Amt nicht zur Verfügung stehe. Also wurde gewählt. Das Ergebnis: Sieben stimmten für Humburg, drei gegen ihn. Humburg nahm dann als gewählter Ortsvorsteher und Nachfolger von Barbara Bogdon Stellung zu den Vorwürfen. So habe er Enteignungen nie ohne Kompensation gefordert. Außerdem seien bei der Kritik gegen seine Kommentare der humoristische Kontext und die Methoden in den sozialen Netzwerken nicht berücksichtigt worden. Er bedauerte zudem, dass ihn niemand vor der Sitzung persönlich darauf angesprochen hat. Humburg sicherte zu, jedem die Hand auszustrecken, der es wolle.

Bickel sagte gestern, am Tag nach der abendlichen Sitzung, er hätte sich eine Erklärung Humburgs vor der Wahl gewünscht. Humburgs Auftreten wolle er nun genau beobachten – und damit auch das Auftreten in den sozialen Netzwerken. Wenn Humburg wahr macht, was er gegenüber der HNA ankündigte, wird da in naher Zukunft nicht viel mehr zu finden sein als Einträge zu diversen Schachthemen, die er als Schachtrainer und Vorsitzender des Schachklubs Vellmar ganz gern absetzt.

Mit politischen Äußerungen will er sich bei Twitter erst einmal zurückhalten. „Es bringt ja auch nichts, wenn ich die Beiträge als Witz kennzeichne, dann geht am Ende der Witz verloren.“ Er kommt zu dem Schluss: „Ich werde es wohl erst einmal lassen.“ Stattdessen will er sich um seinen Stadtteil kümmern, dafür sorgen, dass dort viele Bäume gepflanzt werden, sich die Verkehrssituation bessert, mehr Mülleimer aufgestellt werden.

Vor sieben Jahren zog er von Chemnitz nach Oberzwehren, wo seine Großeltern seit jeher wohnen. Um sie kümmert er sich. Nach seinem Studium will er nun Lehrer werden. Er betont immer, wie schön Oberzwehren ist. Dort gibt es sogar Pferde vor der Kirche. Nur Pippi Langstrumpf ist dann doch nicht mehr gesehen worden. (Florian Hagemann)

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