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Politikwissenschaftler bewertet Wahlplakate zur OB-Wahl in Kassel: „Wirkung nicht unterschätzen“

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Von: Bastian Ludwig

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Ist denn schon Wahlkampf? Ja!
Stadt hängt voller Plakate: Schon seit Ende 2022 plakatieren die OB-Kandidatinnen und Kandidaten in Kassel. © Hagemann

Ein Politikwissenschaftler der Uni Münster hat die Wahlplakate der OB-Wahl in Kassel für die HNA analysiert. Hier lesen Sie seine Bewertungen.

Kassel – In diesen Tagen kommen die Kasseler kaum daran vorbei: an den Wahlplakaten der sechs Oberbürgermeisterkandidatinnen und -kandidaten für die Wahl am 12. März. Schon beim ersten Blick zeigt sich: Hier gehen sechs Personen mit unterschiedlichen Profilen ins Rennen. Um eine fundierte Analyse der Plakatkampagnen haben wir den Politikwissenschaftler Norbert Kersting von der Universität Münster gebeten.

Norbert Kersting
Der Experte: Prof. Norbert Kersting ist Politikwissenschaftler an der Uni Münster © privat

OB-Wahl in Kassel: Der Wahlkampf hat begonnen

Der Professor für „Vergleichende Politikwissenschaft – Kommunal- und Regionalpolitik“ hatte von 2004 bis 2005 auch mal zwei Jahre in Kassel eine Vertretungsprofessur inne. Kersting lässt keinen Zweifel daran, dass der klassische Plakatwahlkampf – auch wenn er manchem Beobachter unzeitgemäß vorkommen mag – weiter seine Berechtigung hat. „Plakate spielen bei der Mobilisierung der Anhänger eine große Rolle.

Das wird oft unterschätzt. Der Straßenwahlkampf mit Ständen in der Stadt und Haustürbesuchen hat in der Corona-Pandemie hingegen eher an Bedeutung verloren“, so der Wissenschaftler. Die Parteizentralen machten meist enge Vorgaben, was die Plakatgestaltung in Wahlkämpfen angehe. Als unabhängiger Kandidat sei nur Christian Geselle davon befreit, so Kersting.

Bei Oberbürgermeisterwahlen spiele die Parteienzugehörigkeit der Kandidaten bundesweit zwar nicht mehr so eine entscheidende Rolle wie früher, es gebe aber Ausnahmen. So würden Hessen und Nordrhein-Westfalen noch als stark parteiorientiert gelten. „Anders als in Baden-Württemberg wäre es für Hessen eine Seltenheit, wenn ein unabhängiger Kandidat gewählt würde.“ Alle Infos zur Wahl am 12. März 2023 im Überblick.

Wohlfühlkampf: Plakat des unabhängigen Amtsinhabers Christian Geselle.
Wohlfühlkampf: Plakat des unabhängigen Amtsinhabers Christian Geselle. © Bastian Ludwig

OB-Wahl in Kassel: Christian Geselle (unabhängig) mit „relativ braven Bild“

Geselle präsentiere sich auf seinen Plakaten mit einem „relativ braven Bild“. Er prognostiziere mit seinen Botschaften den Wandel und rücke Werte wie Gemeinschaft und Sicherheit in den Vordergrund. „Auf den Wohlfühlfaktor, Sicherheit und Stabilität zu setzen, das hätte ich als Amtsinhaber auch getan. Das ist sein Bonus als amtierender Oberbürgermeister. Geselle ist sich sicher, dass ihn jeder kennt. Seine Botschaft laute: ,Ich bin einer, der für alle da ist, kein Parteisoldat, der nur eine Gruppe anspricht.’“ Was fehle, sei ein Hinweis auf eine Internetseite und ein QR-Code.

Politikwissenschaftler Uni Münster
Präsentiert sich als Kandidatin des Wandels: Isabel Carqueville von der SPD. © Bastian Ludwig

Isabel Carqueville (SPD) will mit einem „Herz für Kassel“ bei der OB-Wahl überzeugen

Carqueville löse sich vom klassischen Markenplakat ihrer Partei. Mit „Ein Herz für Kassel“ habe sie ihren eigenen Slogan entwickelt. Das SPD-Logo sei deutlich zu erkennen. „Sie setzt auf die Unterstützung der Partei.“ Auch der Doktortitel tauche auf den Plakaten auf. „Im Kommunalwahlkampf sehen wir beim Kumulieren und Panaschieren, dass ein Doktortitel in einigen Wählergruppen einen kleinen positiven Effekt hat.“

Die unterschiedlichen Slogans ihrer Plakate griffen das Thema der sozialen Ungleichheit auf. „So etwas steht ihr als Gewerkschafterin gut zu Gesicht.“ Die auf den Plakaten versprochenen „Neuen Wege“ machten deutlich, dass sie für einen Wechsel stehe. Weil Carqueville den Wahltermin auf die Plakate hat aufnehmen lassen, müsse sie diese bei einer Stichwahl korrigieren oder ersetzen.

Kassel: Zur OB-Wahl setzen die Grünen mit Sven Schoeller auf „Sekundärtugenden“

Klassischerweise setzten die Grünen im Wahlkampf weniger auf Gesichter und viel mehr auf Themen. Im Kasseler OB-Wahlkampf gehe es der Partei aber vor allem auch darum, Sven Schoeller der Wählerschaft bekannt zu machen. Die Plakate seien zwar durchaus originell – wenn auch weniger mutig als die der Bundespartei. Allerdings sei die Person Schoeller nicht auf allen Motiven gut erkennbar. „Eigentlich müssten die Grünen doch ein Interesse haben, dass ihr Kandidat sichtbar wird.“

Transportiert auch Themen: Violetta Bock von den Linken.
Setzt auf Soft Skills statt auf Inhalte: Plakat des Grünen Sven Schoeller. © Bastian Ludwig

Statt auf greifbare Themen setzten die Kasseler Grünen stark auf die „Sekundärtugenden“ ihres Kandidaten. So werde Schoeller etwa als „Macher mit hochgekrempelten Ärmeln“ präsentiert. Auch bei ihm werde der Doktortitel eingesetzt.

OB-Wahl in Kassel: CDU rückt bei Eva Kühne-Hörmann (CDU) Soft Skills in den Vordergrund

„Die CDU nutzt interessanterweise beim Wahlkampf in vielen Städten innovative Designs und setzt sich über alte Regeln hinweg“, so Kersting. Bei Kühne-Hörmann setze die Partei voll auf Personalisierung. „Es werden auf den Plakaten keine Inhalte oder lokalpolitischen Themenfelder aufbereitet. Auch hier setzt man auf klassische Soft Skills und Sekundärtugenden der Kandidatin: Zuhör- und Durchsetzungsvermögen.

Als ehemalige Ministerin hat sie ja durchaus eine entsprechende Erfahrung vorzuweisen, die in den Vordergrund gerückt wird. Es ist alles sehr stark losgelöst von Gewinnerthemen, die man platzieren kann.“ Durch die Verwendung des CDU-Logos werde dennoch die Kernwählerschaft angesprochen.

Präsentiert sich als Macherin: CDU-Frau Eva Kühne-Hermann.
Präsentiert sich als Macherin: CDU-Frau Eva Kühne-Hermann. © Bastian Ludwig

Wahlplakat mit QR-Code: So versucht Violetta Bock (Linke) zur OB-Wahl in Kassel zu überzeugen

„Die Linken haben das Violett für sich entdeckt. Und das passt ganz wunderbar zu Violetta Bock“, sagt Kersting. Die Partei hebe durch unterschiedliche Plakatmotive sowohl ihre Hauptthemen wie auch ihre Kandidatin in den Vordergrund.

Auch hier werde ein QR-Code angeboten, über den sich interessierte Personen weitere Informationen über Bock und ihre Agenda besorgen könnten. Die Angabe einer klassischen Internetseite fehle – eine solche sei für manchen älteren Betrachter hilfreich gewesen. Offenbar werde versucht, vor allem die Studierendenschaft anzusprechen.

Präsentiert sich als Kandidatin des Wandels: Isabel Carqueville von der SPD.
Transportiert auch Themen: Violetta Bock von den Linken. © Bastian Ludwig

Stefan Käufler (Die Partei) mit Plakat ohne Gesicht zur OB-Wahl in Kassel

„Die Partei macht wie immer ihren Spaßwahlkampf. Ich finde das sehr belebend“, sagt Kersting. Die zum Teil sehr abstrusen Botschaften erinnerten oft eher an ein Satiremagazin.

Belebender Spaßwahlkampf: Plakate von Stefan Käufler von Die Partei.
Belebender Spaßwahlkampf: Plakate von Stefan Käufler von Die Partei. © Bastian Ludwig

Die Protestwählerschaft sei aber nicht zu unterschätzen. Gerade wenn eine Wahl knapp werde, könnten diese Stimmen einem der anderen Bewerber fehlen. (Bastian Ludwig)

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