Organspenden sind rückläufig: Auch in Kassel lehnen Angehörige die Spende oft ab

Die Zahl der Organspenden in Deutschland ist rückläufig. Das meldet die Deutsche Stiftung Organtransplantation.
Kassel – 869 Menschen haben 2022 nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet. Das sind 64 weniger als im Vorjahr. Schon seit einiger Zeit beobachten Expertinnen und Experten diesen Trend, der sich auch in Kassel zeigt.
In der documenta-Stadt haben im vergangenen Jahr sieben Menschen 24 Organe gespendet. „Für die Organspende kommen generell nur sehr wenige Patienten in Frage“, sagt Dr. Christian Roth, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Kasseler Klinikum. Bei den Betroffenen muss zunächst der Hirntod festgestellt werden, darunter versteht man einen dauerhaften Funktionsausfall des gesamten Gehirns, sagt Roth. Mit dem Hirntod werde auch der Tod eines Patienten festgestellt. Erst dann stelle sich die Frage nach einer Organentnahme. „Wenn trotz aller Bemühungen das Leben des Patienten nicht gerettet werden kann, halten wir die Funktion seiner Organe aufrecht, um sie gegebenenfalls zu entnehmen“, so der Chefarzt.
In vielen Ländern braucht es keine Zustimmung
In Deutschland dürfen Organe nach dem Tod nur dann entnommen werden, wenn die verstorbene Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. Liegt keine Entscheidung vor, werden die Angehörigen gefragt. In den meisten europäischen Länder gilt die Widerspruchslösung. Hat die verstorbene Person der Organspende nicht ausdrücklich widersprochen, können Organe zur Transplantation entnommen werden.
Den genauen Grund für die sinkende Zahl an Organspenden kennt Roth nicht. 2021 haben noch acht Menschen 29 Organe in Kasseler Krankenhäusern gespendet, in denen Organe nur entnommen werden. Für das Einsetzen werden sie in Transplantationszentren gebracht. Im Jahr 2010 waren es sogar 16 Spender mit 63 Organen. Ein Problem, das häufig auftaucht: Einer Organspende muss zugestimmt werden, aber nicht alle Menschen haben einen Organspendeausweis, der ihre Entscheidung dokumentiert. Viel wichtiger sei aber laut Roth die klare Kommunikation mit den Angehörigen. Denn auch eine mündliche Zustimmung reiche aus. „Leider haben sich aber nur die wenigsten Menschen zu Lebzeiten damit auseinandergesetzt“, sagt Roth.
Sein Team sucht dann das Gespräch mit den Angehörigen. „Die Familie tut sich oft schwer, eine Entscheidung zu treffen. Oft lehnen Angehörige die Organspende ab, weil sie sich nicht sicher sind, ob sie nach dem Willen des Betroffenen handeln“, sagt Mathias Drabsch, Intensivpfleger und Transplantationsbeauftragter im Kasseler Klinikum. Außerdem benötigen die Angehörigen Zeit, so die Pflegefachleitung. „Das ist Zeit, die wir häufig leider nicht haben. Denn es besteht die Gefahr, dass wir den potenziellen Spender durch Kreislaufversagen verlieren, bevor wir die Organspende realisieren konnten“, sagt Drabsch.