Potenzial der Pilze wird an Kunsthochschule Kassel ausgelotet

Pilze sind wahre Multitalente. Nicht nur in der Pfanne kommen sie zum Einsatz, auch die Lebensmittel- und Pharmaindustrie nutzt Pilze. Davon profitiert die Kunsthochschule Kassel.
Kassel – Ob Penicillin, Fleckenlöser oder Zitronensäure: Vieles wird aus industriell angebauten (Schimmel-)Pilzen gewonnen. Auch für die Herstellung von nachhaltigen Alternativen für Styropor, Leder oder Bauelemente geraten Pilze und ihr Wurzelgeflecht zunehmend in den Fokus.
All das bildet den Nährboden für das „Biolab“ an der Kasseler Kunsthochschule, das derzeit einen Wachstumsschub nimmt. Auf Initiative von Studierenden war der Laborraum vor dreieinhalb Jahren im Südbau der Kunsthochschule geschaffen worden. Die treibenden Kräfte dafür waren Nadja Nolte und Chris Freudenberger, die bei einem Pilzworkshop Feuer für die Arbeit mit Zunderschwamm, Austernseitling, Reishi-Pilz und Co. gefangen hatten.
„Da steckt ein Riesenpotenzial drin“, sagt Chris Freudenberger, der Produktdesign studiert. Das sieht auch Susanne Ritzmann so, neue Professorin für nachhaltige Produktgestaltung. Nach der coronabedingten Durststrecke setzt sie sich für die Wiederbelebung des Labors ein.
Durch eine Erweiterung und Professionalisierung an neuer Stelle im Atrium-Bau soll das Biolab künftig im Wortsinn einen festen Raum im Studium bieten, sich mit Pilzen und anderen Mikroorganismen und deren Bedeutung für die Entwicklung neuer Materialien zu beschäftigen. Ebenso kann dort für künstlerische und wissenschaftliche Arbeiten mit Pilzen experimentiert werden. Auch ethische Fragen zur Arbeit mit lebenden Organismen könne man reflektieren, so die Professorin. Somit ist das Biolab auch ein Ort, der zur Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen einlädt.
Eine professionelle Grundausstattung – unter anderem mit Sterilwerkbank, Dampfsterilisator und ein Klimaschrank, in dem Luftfeuchtigkeit und Temperatur für ein ideales Pilzwachstum reguliert werden können – haben die Studierenden bereits beschafft. Bei der Aufbauarbeit hatten sie auch Unterstützung von dem Kasseler Pilzexperten Prof. Dr. Ewald Langer vom Institut für Biologie.
In den Regalen kann man die Ergebnisse der bisherigen Arbeit bestaunen, darunter bizarre Gewächse aus Myzel, also dem unterirdischen Wurzelgeflecht der Pilze, und daraus emporragenden Fruchtkörpern. Nadja Nolte zeigt ein briefmarkengroßes braunes Plättchen: „Man sieht es ihm nicht an, aber das hier war ein Riesenerfolg.“ Ein Stück Myzelleder – aus Pilzen statt aus Tierhaut.
Die natürlichen und schnellen Wachstumsprozesse machen Pilze so interessant für die Herstellung umweltfreundlicher Materialien. Über ihre Wurzelstruktur ernähren sich viele Pilze von Abfallstoffen wie Holzspänen, Stroh oder Hanffasern. Auch für Recycling oder Kompostierung sind Pilzprodukte also von Natur aus geeignet.
Einblicke in die Welt der Pilze bietet auch ein Workshop im Biolab am 10. Mai während der Mint-Woche der Uni (siehe Hintergrund). Wer mitmacht, kann selbst Pilzmaterial in einer Petrischale isolieren und dann zuhause das Wachstum beobachten.