Tausende protestieren gegen geplanten Wegfall von KVG-Buslinien und Haltstellen

Kassel. Seit die Kasseler Verkehrs-Gesellschaft (KVG) im Juli 2015 den Entwurf für die geplante Liniennetzreform öffentlich gemacht hat, ist in den Stadtteilen der Teufel los.
Die Kritik gegen die vorgesehenen Streichungen von Buslinien und Haltestellen reißt seither nicht mehr ab.
Gegen die Reformpläne machen Aktionsbündnisse und Ortsbeiräte, Schulen und andere Einrichtungen mobil. In der Johann-Amos-Comenius-Schule in Niederzwehren gab es eine große Infoveranstaltung zur geplanten Einstellung der Buslinie 24. „Ohne Linie 24 könnten Schüler aus Süsterfeld, Harleshausen und Wilhelmshöhe die Schule nicht mehr erreichen“, sagte Schulelternbeirätin Dagmar Figge.
In Rothenditmold übergab das Aktionsbündnis „Initiative Nahverkehr für alle“ aus den Umweltverbänden Umwelthaus Kassel, ADFC, BUND, VCD und Initiativen wie Rothe Ecke und Kulturinitiative Harleshausen mehr als 1600 Unterschriften zum Erhalt der Buslinie 27. „Die Linie 27 ist die einzige direkte Verbindung in den Vorderen Westen, es gibt keine Alternative“, sagte Mitinitiatorin Violetta Bock. „Streichkonzert bei der KVG! Das lehnen wir ab“, stand auf einem Plakat.
Im Stadtteil Süsterfeld-Helleböhn haben Anwohner um Ortsvorsteher Jürgen Helferich (CDU) rund 1300 Unterschriften der KVG übergeben, um den Wegfall der Buslinie 24 zwischen Helleböhn und der Dönche zu verhindern.
Im Stadtteil Forstfeld fordert der Ortsbeirat, die KVG solle von den Plänen Abstand nehmen, am Lindenberg die Buslinie 25 zu streichen. Die Bewohner der Seniorenwohnanlage Lindenberg wollen, dass der Bus auch künftig an der Haltestelle vor ihrer Haustür stoppen soll.
Die Forderungen vieler Bürger gehen über den bloßen Erhalt der bestehenden Buslinien und Haltestellen hinaus. So will das Rothenditmolder Aktionsbündnis, dass der öffentliche Personennahverkehr in Kassel weiter ausgebaut statt eingeschränkt wird. Zudem sollen die Preise für das Fahren mit Bus und Straßenbahn günstiger werden.
Der Auftrag an die KVG lautet allerdings: Kosten senken. Die Verkehrsplaner des Unternehmens haben deshalb genau analysiert, wo Busse und Bahnen auffallend wenig genutzt werden, wo der Leistungsaufwand hoch und die Kostendeckung niedrig ist. Dort soll es Einschränkungen geben. Zum Protest in Rothenditmold hatte KVG-Planer Sven Möller gesagt: „Wenn alle, die unterschrieben haben, auch regelmäßig mit der Linie 27 fahren würden, wäre die Verbindung auch ausgelastet.“
Das plant die KVG
Die geplante Netzreform sieht harte Einschnitte vor allem bei den Kasseler Buslinien, aber auch im Tramverkehr vor.
26 Bushaltestellen würden nach den Plänen gar nicht mehr und weitere 18 nur noch mit Anruf-Sammel-Taxen angefahren. Die Mehrzahl dieser Haltestellen liegt in den am Stadtrand gelegenen Stadtteilen.
Massive Streichungen soll es in den Schwachverkehrszeiten am späten Abend, samstags bis 8 Uhr und sonntags bis 11 Uhr geben, zudem einschneidende Änderungen in der Linienführung der Straßenbahnen. Besonders in den Stadtteilen Harleshausen, Jungfernkopf, Bettenhausen, Nordshausen und Brasselsberg gibt es laut KVG zu viel Angebot im Nahverkehr. Geplante Veränderungen bei den Buslinien 12, 24, 25 und 27 betreffen aber auch die Stadtteile Niederzwehren, Rothenditmold, Süsterfeld-Helleböhn und Forstfeld.
Mehr als 1000 Bürgereingaben sind bei der KVG zu dieser Planung eingegangen. Die sollen jetzt für die Überarbeitung des Entwurfs bis zum Frühjahr dieses Jahres genutzt werden. Damit will die KVG den ursprünglichen Zeitplan einhalten und ab Frühsommer 2017 im reformierten Netz fahren. Voraussetzung dafür ist die Zustimmung der neuen Stadtverordnetenversammlung, die am 6. März gewählt wird. Der entscheidende Beschluss zur KVG-Netzreform soll im Oktober 2016 im Stadtparlament gefasst werden.
2014 hatte die KVG 43,8 Millionen Fahrgäste transportiert, aber trotzdem 16,8 Millionen Euro Verlust eingefahren (Zahlen für 2015 liegen noch nicht vor). Weil der Verlustausgleich immer schwieriger wird, muss die KVG nach Vorgabe der Stadt auf die Kostenbremse treten. Fünf bis sechs Millionen Euro weniger Verlust im Jahr sind das Ziel.