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Ramadan am Stern in Kassel: Wenn beim Essen die Minute zählt

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Von: Axel Schwarz

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Vor dem Ansturm: Im Saraykapı stellt Inhaber Nurullah Yurddas Wasserflaschen und Teller mit Datteln auf.
Vor dem Ansturm: Im Saraykapı stellt Inhaber Nurullah Yurddas Wasserflaschen und Teller mit Datteln auf. © Schwarz, Axel

Die Orient-Lokale am Stern in Kassel arbeiten momentan im Takt des islamischen Fastenmonats Ramadan. Zum Fastenbrechen am Abend ist mancherorts viel Betrieb.

Kassel – Mal schnell am Stern was leckeres Orientalisches essen? Am frühen Abend ist es in diesen Tagen schwierig, in den Lokalen dort einen Platz zu bekommen. Es ist Endspurt des Ramadan, der islamische Fastenmonat dauert noch bis zum Donnerstag (20.4.2023).

Auch in Kassel haben Muslime, die sich an die religiösen Gebote halten, seit der Morgendämmerung nichts mehr gegessen. Gemäß dem islamischen Mondkalender verschiebt sich die Fastenzeit von Jahr zu Jahr – derzeit vergehen gut 16 Stunden, bis ab dem Sonnenuntergang der Hunger gestillt werden darf.

Dafür sind Restaurantbesuche in größerer Runde beliebt – und eine logistische Herausforderung für einschlägige Gastronomen. „Es ist gerade hektisch hier“, entschuldigt sich Nurullah Yurddas, Inhaber vom türkischen Lokal Saraykapı am Stern, am Samstagabend gegen 19.45 Uhr.

Im Akkord brutzelt seit Team in der offenen Küche Auberginen und Kebab-Spieße, richtet Tellerreihen mit Salaten an, verteilt auf den eingedeckten Tischen Wasserflaschen und Teller mit Datteln, den traditionellen Magenöffnern zum Fastenbrechen, das am Samstag auf 20.24 Uhr fällt. Jeden Tag kommen ein, zwei Minuten hinzu, wie in anderen orientalischen Lokalen liegen auch im Saraykapı Mitnehm-Kalender mit den Gebetszeiten laut Kasseler Sonnen-Ortszeit aus.

Noch ist wenig los, aber das ist die Ruhe vor dem Sturm. Etwa 40 Reservierungen gibt es für den heutigen Abend, erzählt Yurddas, aber in diesen Tagen kämen oft noch mal so viele Gäste spontan – die freilich alle zum selben Zeitpunkt essen wollten. „Das kriegen wir auch immer hin“, sagt Nurullah Yurddas mit gewissem Stolz. Wenn es zu voll werde, schicke man die Hungrigen schon mal in Nachbarlokale weiter.

Der Chef fastet ebenfalls, wie viele seiner Mitarbeiter. Zum Iftar, der Uhrzeit des Fastenbrechens, müssen jedoch alle auf dem Service-Posten sein. „Wir essen dann eineinhalb bis zwei Stunden später“ – gegen 22 Uhr sei das Geschäft an den Ramadan-Abenden ohnehin gelaufen. Wie ist das, wenn man selbst noch länger mit dem Essen warten muss? „Vor allem die ersten zwei Tage sind schwer“, sagt Yurddas. „Aber man gewöhnt sich dran.“

Während er das sagt, ist es im Gastraum binnen weniger Minuten knallvoll geworden. Am Tresen stauen sich Speisenabholer und Hungrige ohne Reservierung. Ganze Familien checken ein, Kleinkinder werden aus Kinderwagen gehoben – die Jüngsten sind freilich vom Fasten ausgenommen. Junge Frauen, mal im eleganten Ausgeh-Outfit. mal flippig gestylt, mal im züchtigen Kopftuch Hijab – alle lassen sich aufgeräumt und erwartungsfroh an den Tischen nieder, während viele helfende Hände Brotkörbe, Suppen und gefüllte Teller an die Tische bringen und im Akkord schaumige Joghurtdrinks aus der Ayran-Brunnenmaschine zapfen.

Es ist nicht zu erkennen, dass jemand auf die Uhr geschaut hätte, als es sich dann wie auf ein geheimes Zeichen hin alle schmecken lassen. Ramadan Mubarak, gesegneter Ramadan – ein weiterer langer Tag des Fastens ist bewältigt. Wie ein Uhrwerk geklappt hat jedenfalls die pünktliche Bedienung aller Gäste. „Das geht natürlich nur, weil alle ihr Essen rechtzeitig vorher bestellt haben“, erklärt Inhaber Yurddas.

Voll geworden ist es auch um die Ecke im Lokal Ahmad’s Grill Kebab an der Kurt-Schumacher-Straße, das von afghanischen Inhabern betrieben wird. Die Kehrseite des Geschäfts im Ramadan sei natürlich, dass derzeit tagsüber kaum etwas los sei, erzählt Arian Rasuli, der am Samstag den Betrieb dort leitet.

Volles Haus zum Fastenbrechen: Im afghanischen Lokal Ahmad’s Grill Kebab konzentriert sich der Gästebetrieb während des Ramadans auf die Abendstunden. Daher sind momentan die Öffnungszeiten verkürzt.
Volles Haus zum Fastenbrechen: Im afghanischen Lokal Ahmad’s Grill Kebab konzentriert sich der Gästebetrieb während des Ramadans auf die Abendstunden. Daher sind momentan die Öffnungszeiten verkürzt. © Axel Schwarz

Er selbst fastet auch, arbeitet aber zum Teil bis 1 Uhr nachts. „So lange kann ich durchhalten“, sagt der 29-Jährige, „das ist alles eine Kopfsache.“ Für ihn sei es jedoch eine gewisse Herausforderung, in den wenigen Stunden zwischen Dienstschluss und Sonnenaufgang das Essen wie auch das Schlafen einzutakten: „Tagsüber kann ich einfach nicht schlafen“, erzählt Rasuli.

Der Ramadan sei eine besondere Zeit – nicht allein wegen des Fastens, auch wegen der für muslimische Gläubige bedeutsamen Aspekte der inneren Einkehr, der Selbstprüfung, der Gemeinschaft und der Solidarität mit Bedürftigen. So könne man „viel Gutes erreichen und auch etwas für die Seele tun“.

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