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Rettungsdienst unter Druck: Zahl der Einsätze in Kassel steigt

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Von: Anna Weyh

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Rettungskräfte in Kassel agieren am Limit. Dies liegt auch daran, dass immer mehr Menschen den Notruf wählen - auch wenn dies nicht unbedingt nötig gewesen wäre.

Kassel – Immer häufiger wählen Menschen die 112 – und immer häufiger rücken die Sanitäterinnen und Sanitäter mit dem Rettungswagen aus. Dieser Trend zeigt sich in Kassel, er ist aber auch überregional sichtbar. Im vergangenen Jahr gab es in Stadt und Landkreis Kassel 111 223 Rettungsdiensteinsätze, teilt ein Sprecher der Stadt Kassel mit. Darunter waren 30 020 Krankentransporte, 67 921 Notfalleinsätze sowie 13 282 Notarzteinsätze.

„Wir verzeichnen eine Steigerung in Höhe von etwa 15 Prozent zwischen 2021 und 2022“, so der Sprecher weiter. Die zunehmenden Einsatzzahlen, das damit verbundene höhere Arbeitsaufkommen bei geringer Vergütung sowie eine Vielzahl an Bagatelleinsätzen sorgen für Frustration bei den Akteurinnen und Akteuren. Um Lösungen für die bestehenden Probleme zu erarbeiten, haben sich Mitarbeitende aus den in Kassel tätigen Organisationen – Feuerwehr, Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Johanniter-Unfall-Hilfe – nun zu einer Arbeitsgruppe zusammengeschlossen.

Rettungskräfte in Kassel unter Druck: „Gegen Probleme zu wenig getan“

Hagen Doppe, Notfallsanitäter und Teil dieser Gruppe, die von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi moderiert wird, sagt: „Gegen die Probleme wurde in vergangenen Jahren zu wenig getan. Aufgefangen wurde es durch die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter, die diesen Beruf mit Hingabe ausführen. Das wird jedoch nicht mehr lange funktionieren.“

Ein Rettungswagen eilt zum Unfallort.
Die Zahl der Rettungsdiensteinsätze nimmt zu. © dpa

Den Rettungskräften fällt bei ihrer Arbeit auf: Insgesamt steige die Hilflosigkeit in der Gesellschaft. Sie leisten deshalb häufig auch soziale Hilfe. Bei weitem nicht alle Patientinnen und Patienten, die die Rettungskräfte anfahren, seien Fälle fürs Krankenhaus. „Wenn mehr Ärzte zu ihren Patienten rausfahren würden, könnte das den Rettungsdienst und die Krankenhäuser entlasten“, sagt Hagen Doppe. Viele Probleme könnten so vor Ort und ohne eine stationäre Aufnahme gelöst werden.

Rettungsdienste in Kassel unter Druck: Das beste für Patienten und Beschäftigte erreichen

Die Mitarbeitenden wollen laut Gewerkschaftssekretär Florian Dallmann sowohl das Beste für die Patientinnen und Patienten als auch für die Beschäftigten erreichen.

Gegen den Personalmangel nun Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen, sei allein nicht die Lösung der Probleme, so die Gruppe. „Die vorliegenden Arbeitsbedingungen und Vergütungen müssen sich deutlich verbessern, um auch für ausländische Fachkräfte attraktiv zu werden und zu bleiben“, sagt auch Notfallsanitäter Christoph Frank.

Mitarbeitende, die in Kassel bei Rettungsdienst-Organisationen tätig sind, kommen bei Verdi zusammen, um Reformvorschläge zu entwickeln. Auch Arbeitnehmende aus Kliniken und Pflege sind beteiligt. Die Zahl der Rettungsdiensteinsätze steigt. Weil auch Krankentransporte zunehmen (plus acht Prozent von 2021 zu 2022 in Kassel), fordern Mitarbeitende die Trennung von Krankentransport und Notfalleinsätzen. Damit könne auch dem bestehenden Personalmangel entgegengewirkt werden.

Kassel: Akteure fordern Trennung zwischen Notfalleinsätzen und Krankentransport

Denn für einen Krankentransport werde nur ein Rettungssanitäter benötigt (Ausbildung: 520 Stunden) sowie ein Sanitätshelfer. Der Krankentransport, der wie aktuell durch Mehrzweckfahrzeuge gefahren wird, ist jedoch mit einem Notfallsanitäter (dreijährige Ausbildung) und einem Rettungsanitäter, oder sogar zwei Notfallsanitätern besetzt. Aktuell gebe es in Kassel rund 50 nicht besetzte Notfallsanitäter-Stellen, so die Mitarbeitenden.

59 Rettungswagen in Kassel im Dienst

In Stadt und Landkreis Kassel seien zur Spitzenzeit 59 Rettungswagen, beziehungsweise Mehrzweckfahrzeuge, 6 Krankentransportwagen sowie 6 Notarzteinsatzfahrzeuge im Dienst, teilt ein Sprecher mit. Darüber hinaus gebe es weitere Sonderrettungsmittel zum Transport von Intensivpatienten oder adipösen Patienten. Auch der Rettungshubschrauber Christoph 7 werde durch die Leitstelle Kassel eingesetzt.

Geregelt ist der Rettungsdienst im Landesrettungsdienstgesetz, es gibt auch auf kommunaler Ebene Entscheidungsmöglichkeiten. So trennt der Rettungsdienst des Schwalm-Eder-Kreises etwa Schichten, die Krankentransporte fahren, von Schichten, die Notfalleinsätze übernehmen. Dirk Stochla, Kassels Dezernent für Ordnung, Sicherheit und Sport, sagt dazu: „Im Rettungsdienstplan des Landes Hessen ist rechtlich geregelt, dass grundsätzlich Mehrzweckfahrzeuge im Rettungsdienst einzusetzen sind. Diese Vorgabe setzen wir überwiegend um.“

Rettungskräfte in Kassel: „Die gewählte Ausrichtung hat sich bewährt“

Im Jahr 2021 wurden sechs Krankentransportwagen in Kassel angeschafft. Eine generelle Trennung mindere aber die Flexibilität in der Notfallrettung. Denn die Anzahl der Mehrzweckfahrzeuge reduziere sich um die Anzahl der eingeführten Krankentransportwagen. Zusätzliche Wagen seien nicht möglich.

Die umgesetzte Strategie führe zu einer höheren Verfügbarkeit an qualitativ hochwertigen Rettungsmitteln. „Die gewählte Ausrichtung hat sich bewährt“, so Stochla. (Anna-Laura Weyh)

Auch im Kreis Kassel sind zu viele Bagatelleinsätze ein großes Problem.

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