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Nach Kritik an Skateboard-WM: Mister Wilson gibt Stützpunkt-Titel ab

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Von: Kathrin Meyer

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Schätzt die Atmosphäre in der Skatehalle: Justus Hrosny (Vorsitzender) sieht die Rückgabe des Titels als richtige Entscheidung des Vereins.
Schätzt die Atmosphäre in der Skatehalle: Justus Hrosny (Vorsitzender) sieht die Rückgabe des Titels als richtige Entscheidung des Vereins. © Kathrin Meyer

Seit 2018 war der Kasseler Skateboardverein Mister Wilson einer von fünf Olympia-Regionalstützpunkten für Skateboarding in Deutschland. Jetzt hat sich der Verein entschieden, diesen Titel zurückzugeben.

Kassel - Für Justus Hrosny, den Vorsitzenden des Vereins, sind es vor allem zwei Gründe, die zu der Entscheidung geführt haben. Zum einen ist es die Kritik an der Skateboard-Weltmeisterschaft, die Anfang des Jahres in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattgefunden hat. „Die Weltmeisterschaft fand unter Bedingungen statt, die bereits bei der Fußball-WM in Katar heftig kritisiert wurden“, sagt Hrosny. „Unsere Szene macht aus, dass dort eine große Vielfalt an Menschen miteinander Skateboard fährt.“

Die gesetzlichen und kulturellen Bedingungen in den Vereinigten Arabischen Emiraten stünden dazu im direkten Widerspruch, heißt es auch in einem Statement auf der Homepage des Vereins: Queere Personen, also Menschen, die sich in der LGBTQ+-Szene verorten, müssen dort mit massiven Strafen rechnen. Zum Schutz sei diesen Teilnehmern zum Beispiel vorgeschlagen worden, ihre Social-Media-Auftritte für den Zeitraum der WM zu sperren, so Hrosny.

Ein weiterer Punkt, der gegen den Titel als Regionalstützpunkt gesprochen hat, ist auch im Verein schon länger diskutiert worden. Nämlich, ob man Skateboarden wirklich als einen profitorientierten Leistungssport begreifen kann und vor allem möchte. „Es gehört so viel mehr dazu, als Skaten nur auf Tricks und Sprünge zu reduzieren“, sagt Hrosny. Im Verein sei man sich einig gewesen, dass Skateboarden mehr eine Leidenschaft oder auch eine Art Lifestyle ist.

Dieser Perspektive hätten sich nach und nach immer mehr Mitglieder angeschlossen. Sodass man letztendlich die Entscheidung gemeinsam gefällt habe, dass Olympia und Leistungssport im Verein fehl am Platz seien. Gerade bei Mister Wilson gäbe es oft auch Musik- oder Filmevents oder man treffe sich zum gemeinsamen Rampenbau. Auch ist der Leistungssportgedanke nicht das, was den Verein ausmache.

„Wir sind auch ein Jugendzentrum, in dem wir insbesondere den Kindern und Jugendlichen hier aus dem Stadtteil ein Zuhause geben wollen, in dem wir soziale Arbeit mit Skateboarding kombinieren“, sagt Hrosny. An den Nachmittagen, an denen die Halle kostenlos genutzt werden kann, kämen gerade in der Wintersaison durchschnittlich 50 bis 100 Personen zum Skaten.

Die anderen vier Regionalstützpunkte (Stuttgart, Leipzig, Berlin und Oldenburg) hätten bisher ihre Titel noch nicht zurückgegeben. Aus Sicht von Justus Hrosny ist das aber eine sehr individuelle Entscheidung und nicht zu kritisieren. „Andere haben womöglich kein zweites Standbein und eben dann keine Option wie wir, sich auf den Bereich soziale Arbeit konzentrieren zu können. Aber für uns passt das.“

Ursprünglich hatte sich der Verein von dem Titel Regionalstützpunkt auch eine weitere finanzielle Absicherung und einen langfristigen Mietvertrag in der Halle auf dem ehemaligen Henschel-Gelände erhofft, erläutert Hrosny. Letztlich seien aber die Förderungen, die man als Stützpunkt bekommen habe, nicht so immens gewesen, dass man als Verein dafür seine Wertvorstellungen hätte aufgeben wollen. Mit dem neuen Inhaber des Geländes, dem Berliner Unternehmen Sector 7, sei man in Verhandlungen. Bisher sei der Mietvertrag immer nur um ein weiteres Jahr verlängert. Das sei auch aktuell noch so. „Um Fördergeld zu bekommen, ist das nicht optimal“, sagt Hrosny. Beispielsweise müsste das Dach repariert werden. Um da finanzielle Unterstützung zu bekommen, brauche der Verein langfristige Planungssicherheit. (Kathrin Meyer)

Das sagt der Verband

Die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Szene, ob Skateboarding im Leistungssport richtig angesiedelt sei, ist neu, sagt Hans-Jürgen Kuhn vom Vorstand der deutschen Skateboardkommission. Der Bereich der Leistungssportler in der Szene sei relativ klein. Der weitaus größere Teil betreibe das Skateboarden als Freizeitbeschäftigung. Mit Blick darauf könne er die Entscheidung von Mister Wilson durchaus nachvollziehen und kritisiere sie nicht. Auch ohne den Titel als Regionalstützpunkt sei die Halle gut ausgelastet. Der Stützpunkt in Kassel habe eine große Region abgedeckt, darunter auch ganz NRW. Das habe für einige Sportler eine lange Anreise bedeutet. Bei der Suche nach einem neuen Standort könne das womöglich eine Rolle spielen. 

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