Unterschiedliche Ansichten gab es vor allem bei drei Themen, zu denen Experten eingeladen waren. So fragte Chemie-Professor Rüdiger Faust, warum die Universität nicht eng genug an die Stadt angebunden sei: „Nach außen ist die Wahrnehmung so, dass wir dem Wissenschaftsstandort nicht adäquat gerecht werden.“ Hier widersprach Geselle und nannte etwa die Task-Sporthalle am Auestadion ein „hervorragendes Projekt der Kooperation“. Die ehemalige hessische Wissenschaftsministerin Kühne-Hörmann sagte hingegen: „Wir haben exzellente Wissenschaft vor Ort, die wir praktisch kaum nutzen.“ Auch beim Thema Wohnen wurde hitzig diskutiert. Schoeller und Violetta Bock (Linke) wollen angesichts der Klimakrise den Flächenverbrauch reduzieren und daher „verdichten und aufstocken“ (Bock). Isabel Carqueville (SPD) sieht in ihrem Vorschlag für eine Landesgartenschau am Kasseler Hafen eine Entwicklungschance für den Kasseler Osten und plädierte für einen „Mix aus Aufstocken, Bestandsbauten und Mischbebauung mit Sozialwohnungsquote“. Auch über die Verkehrswende wurde kontrovers gestritten.
Sehr interessiert. Das zeigten auch die zahlreichen Fragen aus dem Netz, von denen Marie Klement, Leiterin des Digitalteams, eine Auswahl vortrug. Die Fan-Gruppen der Kandidaten saßen im Saal verteilt. In der ersten Reihe machten sich immer wieder die Geselle-Anhänger um Bettenhausens Ortsvorsteher Volker Zeidler mit Applaus und Zwischenrufen bemerkbar. Als der Experte Julius Jasperbrinkmann vom Stadtschülerrat Geselle als „Noch-Oberbürgermeister“ begrüßte, rief Zeidler: „Was soll das denn?“ Auch als es anschließend um die maroden Schulgebäude ging, wurde es turbulent. Jasperbrinkmann warf der Stadt bei Schulsanierungen und -neubauten eine Blockadehaltung vor. Geselle konterte: „Wir sind vorangekommen wie in keinem anderen Jahrzehnt.“ Konsens war aber, dass weiter viel zu tun ist.
Über Stefan Käufler von der Partei. Der Satirekandidat hatte inhaltlich nichts beizutragen. Zum Brüder-Grimm-Platz etwa sagte er, dass die Wähler das nicht interessiere, darum habe seine Partei keine Meinung. Er genoss den Abend mit drei Bier und ging aufs Klo, als er mit Carqueville in einem Duell diskutieren sollte.
Dass eine OB-Wahl selten so interessant war wie diese. Wobei diese These auch nicht neu ist. Die Besucher jedenfalls haben die Kandidaten gestern besser kennengelernt. Alexander Wild von den City-Kaufleuten bedankte sich bei allen Bewerbern für ihr Engagement. Schon seit Monaten machen alle Wahlkampf – bis zur Erschöpfung mitten in der Grippewelle. Nun geht es auf die Zielgerade. Am 12. März wird gewählt. (Andreas Hermann, Matthias Lohr)