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Ärger wegen Miete für Ukraine-Geflüchtete – Kasseler Vermieter stinksauer

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Von: Katja Rudolph

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Verärgert über das Sozialamt: Albert Sarkisjan hat in der Gellertstraße zwei Wohnungen an Geflüchtete aus der Ukraine vermietet. Zweieinhalb Monate war er im Ungewissen, ob die Stadt Kassel die Mietkosten übernimmt.
Verärgert über das Sozialamt: Albert Sarkisjan hat in der Gellertstraße zwei Wohnungen an Geflüchtete aus der Ukraine vermietet. Zweieinhalb Monate war er im Ungewissen, ob die Stadt Kassel die Mietkosten übernimmt. © KATJA RUDOLPH

Mehrere Kasseler wollten beim Ausbruch des Kriegs in der Ukraine Wohnungen bereit stellen. Nun beschweren sie sich über das Vorgehen des Sozialamts.

Kassel – Albert Sarkisjan sagt selten Nein, wenn ihn jemand um Hilfe bittet. Und so war es für den Niestetaler keine Frage, dass er Geflüchtete aus der Ukraine in seinen Wohnungen in Fasanenhof aufnimmt, die er nebenberuflich als kleines Hostel betreibt. An der Gellertstraße hat er vier Apartments, die er normalerweise an Gäste vermietet. In zwei davon hat er am 21. März fünf Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Welchen Aufwand er damit haben würde, sich die Mietkosten von der Stadt erstatten zu lassen, ahnte Sarkisjan da nicht.

Als der 36-Jährige sich bei der HNA meldet, wartet er seit fast zweieinhalb Monaten auf die Übernahme der Miet- und Nebenkosten. Er wolle nicht aus der Notlage von Menschen Kapital schlagen, betont der gebürtige Armenier. Mit seiner Familie kam er vor 18 Jahren selbst als Flüchtling nach Deutschland. Deshalb setzte er lediglich eine Kaltmiete von 320 und 390 Euro für die Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnung an. Gerade im documenta-Sommer könnte er mit Vermietungen an Hostelgäste ein Vielfaches einnehmen, sagt Albert Sarkisjan.

Kassel: Vermieter beschweren sich über Aufwand, Miete für Geflüchtete von der Stadt zu bekommen

Nach zahlreichen Telefonaten, E-Mails und mehreren persönlichen Besuchen beim Sozialamt im Kasseler Rathaus schwanken seine Gefühle zwischen Verärgerung und Verzweiflung. Immer wieder wurde sein Mietangebot abgelehnt – erst mit dem Hinweis, die Gesamtkosten seien zu hoch angesetzt. Mehrfach passte Sarkisjan die Miete an, erhielt dann aber jeweils den Vermerk, die Betriebs- und Heizkosten seien zu niedrig angesetzt, weshalb mit erheblichen Nachforderungen zu rechnen sei. Dabei hatte Sarkisjan von Anfang an eine Pauschale für sämtliche Nebenkosten angesetzt, wie die Formulare belegen, die er der HNA vorlegte. Auch die Mietobergrenzen, die für Bezieher von Sozialleistungen gelten, waren demnach nicht überschritten.

Als der dritte Monat ohne eine Zusage der Stadt anbricht, macht der Niestetaler sich zunehmend Sorgen um seine eigenen finanziellen Mittel: „Die Nebenkosten trage ich seit März komplett, und meine monatlichen Raten an die Bank muss ich ja auch bezahlen.“ Am meisten belaste ihn aber die Ungewissheit, ob er überhaupt noch zu einer Einigung mit der Stadt Kassel kommt. „Ich kann ja die Menschen nicht rausschmeißen.“ In seiner Not hatte er der Sachbearbeiterin im Sozialamt zwischenzeitlich geschrieben, dass er sich zu einer Kündigung der Mieter aus der Ukraine gezwungen sehe, wenn er nicht zügig eine Zusage bekomme.

Der fortdauernde Krieg Russlands in der Ukraine wirkt sich auf Kassel aus. Viele Kasseler wollen Geflüchtete bei sich aufnehmen, doch Vermieter müssen einiges beachten.

Miete für Geflüchtete in Kassel: Vermieter sind sauer

Im Landkreis, wo Sarkisjan ebenfalls mehrere Wohnungen besitzt und insgesamt 13 Menschen aus der Ukraine aufgenommen hat, habe die Überweisung zwar auch einige Wochen gedauert. Dort habe er aber stets eine Ansprechpartnerin gehabt und sich gut aufgehoben gefühlt. Beim Kasseler Sozialamt hingegen, wo sich bei seinen Besuchen jedes Mal Menschenmassen drängten, sei er behandelt worden, als sei er lästig.

Er habe Verständnis dafür, wenn das Personal dort überlastet sei, sagt Sarkisjan. Aber wenn die Stadt dazu aufrufe, Wohnraum für Geflüchtete bereitzustellen, müsse sich auch jemand darum kümmern. Vor wenigen Tagen ist die Überweisung der Stadt auf Sarkisjans Konto eingetroffen.

Weiterer Kasseler schildert negative Erfahrungen mit Sozialamt

Auch Andreas Elsner war wenige Wochen nach Ausbruch des Krieges dem Aufruf der Stadt Kassel gefolgt, Wohnraum für Geflüchtete bereitzustellen. Der Inhaber eines Installateurbetriebs bot an, zunächst für sechs Wochen zwei Zimmer im Dachgeschoss seines Wohnhauses in Oberzwehren mietfrei zur Verfügung zu stellen. Anfang April sei eine Mitarbeiterin des Sozialamts vorbeigekommen, um die Räume zu besichtigen, berichtet Elsner.

Weil es an jenem Tag regnete, bat der Hausherr die städtische Mitarbeiterin, die Schuhe auszuziehen. Im Treppenhaus liege Teppich, sagt der 56-Jährige. „Da geht auch keiner von uns mit Straßenschuhen hoch.“ Die Dame sei jedoch partout nicht bereit gewesen, ihre Schuhe auszuziehen. „Gut, dann ist die Besichtigung hiermit beendet“, habe er daraufhin gesagt, erinnert sich Andreas Elsner.

Anschließend habe er mehrfach über die Servicenummer 115 versucht, in Kontakt mit einem Vorgesetzten der Mitarbeiterin zu kommen. Das sei nicht gelungen. Zehn Tage später habe dann ein anderer Mitarbeiter des Sozialamts angerufen, um eine Besichtigung für die Räume zu vereinbaren. Bevor er darauf eingehe, hätte er gern eine Rückmeldung zum Verhalten der Kollegin, sagte Elsner – und so blieben seine Zimmer frei. Glücklich sei er damit nicht, sagt der Kasseler. Denn eigentlich habe er den Menschen aus der Ukraine ja helfen wollen. (Katja Rudolph)

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