Sie putzen da, wo sonst keiner will: Zertifizierter Lehrgang für Tatortreiniger in Kassel angeboten

Das DRK bietet in Kassel erstmals einen zertifizierten Lehrgang für Tatortreiniger an.
Kassel – Die Fliesen an den Wänden und auf dem Boden sind verschmiert. Die Hose auf dem Rand der Duschwanne ist noch dazu voller Maden. In den Waschräumen stinkt es nach Exkrementen und allerlei anderen Ausdünstungen: Der ehemalige Kasseler Schlachthof in Waldau ist der sehr authentisch wirkende Ausbildungsort für angehende Tatortreiniger.
Den neuen Lehrgang bietet die Hygieneschule des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Kreisverband Kassel-Wolfhagen, an – und zwar in dieser Praxisform erstmals in der Republik. Für die Tatortreiniger gibt es in den mit Aufwand vorbereiteten Räumlichkeiten jede Menge zu tun.
Mit Mund-Nasen-Schutz und blauen Handschuhen, in weißem Overall und Gummistiefeln, machen sich die sieben Teilnehmer – darunter Rettungssanitäter, Polizisten und Gebäudereiniger – inmitten von Schweineblut und Hundeexkrementen an die Arbeit.
„Tatortreiniger müssen dorthin, wo keine normale Putzkolonne mehr rein kann und will“, sagt Jean-Claude Balanck, der stellvertretende Leiter der DRK-Hygieneschule. Tatortreiniger würden oft von Wohnungsbesitzern, Hausverwaltern oder Angehörigen beauftragt.
Neben Leichenfundorten seien Messi-Wohnungen und Animal-Hording-Places, also Orte von Tiersammel-Süchtigen, das typische Arbeitsumfeld. Oft stelle der Einsatzort ein „biologisch hochgefährliches Umfeld“ mit diversen Keimen und Krankheitserregern dar.
Meist sind umfangreiche Reinigungs- und Desinfektionsmethoden nötig, um etwa Blut oder Ungeziefer professionell zu beseitigen. Ein Tatortreiniger müsse daher über umfassendes Wissen im Eigen- und Infektionsschutz, in der Desinfektionslehre und der Rechtskunde verfügen, so Balanck.

Nach dem ersten Kurstag, in dem es um die Theorie ging, steht im ehemaligen Schlachthof die Praxis an. Einer der Teilnehmer ist Wolfgang Oltmanns, Notfallsanitäter aus Vöhl-Harbshausen am Edersee. Er habe bereits als Bestatter gearbeitet und als Rettungssanitäter ähnliche Szenarien wie diese schon etwa 20 Mal bei Einsätzen erlebt, berichtet er.
Den Lehrgang absolviere er, um professioneller mit den Hygieneaspekten umgehen zu können. „Vielleicht baue ich mir mit dem Tatortreiniger-Zertifikat aber auch ein zweites Standbein auf“, sagt Oltmanns und scheuert mit einer Bürste die Fliesen. Zum Reinigen eingesetzt wird bei dem Kurs zudem und ganz professionell Wasserstoff-Peroxid.
„Das ist schon Pionierarbeit“, betont Lehrgangsleiter Jean-Claude Balanck. Der Kurs, den das Deutsche Rote Kreuz nun regelmäßig anbieten will (siehe auch Bericht oben), lege den Fokus auf die Praxis, und das sei einmalig in Deutschland. Teilnehmen könne dabei eigentlich jeder, vor allem richte sich der Lehrgang aber an Rettungssanitäter, Gebäudereiniger oder auch an Schädlingsbekämpfer.
Der allen offen stehende Zugang gilt aber nicht nur für diesen Kurs, sondern auch für die Tätigkeit eines Tatortreinigers insgesamt. „Da der Beruf nicht geschützt ist, kann sich eigentlich jeder so nennen“, sagt Balanck. Deshalb gebe es auch schwarze Schafe in der Branche.
Genau das soll durch die neue Zertifizierung anders werden. Dass die Praxissimulation im ehemaligen Schlachthof stattfinde, sei Zufall, berichtet Balanck. Man habe nach entsprechenden Räumlichkeiten gesucht und sei auf den teils leer stehenden Standort in Waldau aufmerksam gemacht worden. Wenn man sich vorstelle, dass hier vor einiger Zeit noch Tiere geschlachtet wurden, sei das „schon ganz schön gruselig“, meint er.
Der Schlachthof soll übrigens nicht der einzige Ort der Praxisausbildung bleiben. Weitere „Tatorte“ werden gesucht.