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Im Ottoneum: Skelette nehmen Gestalt an

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Historische Szene im Ottoneum nachgestellt: Ein luxemburgischer Soldat der napoleonischen Armee transportiert einen kranken Kameraden auf einem Holzkarren ins Behelfslazarett. Die lebensechten Figuren hat die Künstlerin Lisa Büscher angefertigt.
Historische Szene im Ottoneum nachgestellt: Ein luxemburgischer Soldat der napoleonischen Armee transportiert einen kranken Kameraden auf einem Holzkarren ins Behelfslazarett. Die lebensechten Figuren hat die Künstlerin Lisa Büscher angefertigt.

Kassel. „Die Skelette vom Uni-Campus“ – Mit dieser Außenstellung, die am Dienstag, 9. Juli, 18 Uhr, im Ottoneum eröffnet wird, rundet das Naturkundemuseum seinen Beitrag zum Stadtjubiläum mit einem dritten musealen Höhepunkt spektakulär ab.

In der Schau im zweiten Obergeschoss sind zwei lebensecht nachgebildete Figuren zu sehen, napoleonische Soldaten in Uniformen einer luxemburgischen Husareneinheit. Ihre Biografien sind auf tragische Weise mit der Stadtgeschichte verbunden. Es handelt sich um die Rekonstruktion von Skeletten von zwei der insgesamt 119 Menschen, die im Januar 2008 auf der Baustelle der Uni am Holländischen Platz überraschend entdeckt wurden. „Mit der Ausstellung geben wir den namenlosen Toten, von denen niemand etwas wusste, ihre Würde zurück“, sagte Museumschef Dr. Kai Füldner.

Nachdem die Berliner Künstlerin Lisa Büscher für das Naturkundemuseum bereits Landgraf Karl und Erbprinz Otto mit ihren Silikonnachbildungen zum Leben erweckt hat, war die Rekonstruktion der Toten vom Uni-Campus noch mal eine Herausforderung mehr.

Anhand der Körpermaße der Toten und einer exakten Gesichtsrekonstruktion, die sich auf die Schädel stützt, hat Büscher in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern fundierte Nachbildungen geschaffen. Dargestellt ist eine eindrücklichen Momentaufnahme: Ein circa 35 Jahre alter Soldat in der Uniform eines Infanteristen schiebt einen mit Stroh ausgelegten Schubkarre, auf der ein schmal gebauter, kranker und verletzter junger Kamerad liegt. Aufgrund der anthropologischen Untersuchungen des „gigantischen Puzzles“, so Füldner, das am Holländischen Platz vorgefunden wurde, konnten die Wissenschaftler der Uni Göttingen exakte Angaben machen. Alter, Größe, Gewicht, Volkszugehörigkeit bis hin zu Erkrankungen durch Parasiten oder Abschürfungen des Schlüsselbeins durch schwere Tornister und Waffen, wurden festgestellt.

Gezeigt wird eine Szene, wie sie sich im Herbst 1813 wahrscheinlich abgespielt hat: 400 schwer erkrankte Soldaten Napoleons verlassen die Charité, die sich im Wesertor am Standort der heutige Schule am Wall befunden hat, und machen sich auf den Weg in ein Behelfslazarett in Bettenhausen.

Bilder von der Ausstellung

In die Nachbildung dieser historischen Situation hat das Naturkundemuseum 35.000 Euro aus seinen Anschaffungsetat investiert, 6000 Euro hat der Lions-Club dazugegeben. „Es gibt offenbar noch viele weiße Flecken in der Stadtgeschichte“, sagte Oberbürgermeister Bertram Hilgen. Er bedankte sich bei Füldner für das „wunderbare, traurige Geschenk“. „Wenn alle Untersuchungen abgeschlossen sind, werden wir die Toten auf einem Friedhof beisetzen.“

Archiv-Bilder von den Skelettfunden

Die Ausstellung ist bis Mai nächsten Jahres zu sehen.

Von Christina Hein

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