Nicht optimal verlaufen: Katastrophenschutz-Übung bei SMA zeigte Schwachstellen

260 Einsatzkräfte im Katastrophenschutz spielten am Samstag einen Brand sowie einen Gefahrgutunfall im SMA-Logistikzentrum durch. Vieles klappte gut - es offenbarten sich aber auch Schwachstellen.
Aktualisiert um 15.48 Uhr - Als die ersten Einsatzkräfte der Feuerwehr am Samstagmorgen auf dem Gelände des SMA-Logistikzentrums im Industriepark Kassel eintreffen, werden sie von Hilfeschreien empfangen. In der Zufahrt liegt eine verletzte Frau kurz vorm Kreislaufkollaps: „Mein Sohn ist da noch drin!“ Vor den Eingängen der großen Halle liegen weitere Menschen, teils blutüberströmt, und rufen um Hilfe. Zum Glück wissen die Feuerwehrleute und Sanitäter, dass niemand ernsthaft in Gefahr ist – es handelt sich um eine Katastrophenschutzübung.
SMA Kassel: Das Szenario im Logistikzentrum
Das Szenario, das die Retter bewältigen sollen, hat es in sich: In dem Logistikzentrum der Solarfima an der Rudolf-Diesel-Straße ist ein Feuer ausgebrochen. Im Styroporlager hat sich eine Flüssigkeit entzündet, die Flammen greifen auf den Kunststoff über. Eine Besuchergruppe wird von dem Brand überrascht. Zudem erschrickt durch einen lauten Knall aus der Brandhalle ein Gabelstaplerfahrer, der 200 Liter schweflige Säure geladen hat. Er baut einen Unfall, aus dem Tank tritt die ätzende Säure aus. Auch hier werden Besucher verletzt. Zu allem Übel ist die Sprinkleranlage wegen Wartungsarbeiten außer Betrieb und das Brandschutztor zwischen den beiden Hallenbereichen durch ein Fahrzeug blockiert.
Gefahrgutunfall und Feuer - Die Herausforderung
Alarmiert wird die Feuerwehr in dem Szenario nur wegen eines Gefahrgutunfalls, von einem Feuer ist dabei noch nicht die Rede. Erst vor Ort löst dann die Brandmeldeanlage aus. Zudem sind über 60 Verletzte zu versorgen, die wegen der starken Rauchentwicklung in der Halle nicht ohne Weiteres zu finden sind. Mit der Übung wolle man vor allem ein neues Gefahrgutkonzept trainieren und den sogenannten Massenanfall von Verletzten, erklärt Ralf Krawinkel, Sprecher der Kasseler Feuerwehr. Vor allem das Zusammenspiel der vielen verschiedenen Helfer, das in dem Ausmaß bei Alltagseinsätzen nicht vorkommt, soll dabei geübt werden.
Die Eindrücke vor Ort
Schon zehn Minuten nach der Alarmierung um 10.15 Uhr ist die Feuerwehr mit ihrem Gefahrgutzug vor Ort. Doch in dem Gewusel der vielen Verletzten, gilt es für den Einsatzleiter erstmal, sich einen Überblick zu verschaffen.

Für Außenstehende wirkt die Situation chaotisch. „Man muss erstmal feststellen, dass es eine massive Unterdeckung gibt und nachalarmiert werden muss“, erklärt Krawinkel, der die Übung beobachtet. Erst nach 20 Minuten, die im Erstfall den Verletzten quälend lang vorkommen müssen, rücken weitere Sanitäter an. In einer der Zufahrten wird ein zentraler Behandlungsplatz eingerichtet. Die Verletzten bekommen je nach Dringlichkeit Bändchen in Rot, Gelb und Grün ums Handgelenk. So können die Notärzte auf einen Blick erkennen, wo sie zuerst helfen müssen.
Nach einer Stunde wartet Paul Hübner, der einen Verletzten mit abgetrennter Hand darstellt, an einem der hinteren Halleneingänge auf Hilfe. „Ich glaube, Du wärst schon tot“, sagt seine Kollegin von der DLRG zu ihm. Hübner spielt aber noch bewusstlos. „Das ist eine Ausnahmesituation, da kann es mal länger dauern“, zeigt er Verständnis für die Einsatzkräfte. Erst nach eineinhalb Stunden beginnt die Feuerwehr mit der Brandbekämpfung und der Rettung der Verletzten aus dem Gebäude.
SMA - Übung: Das Fazit
Auch wenn vieles – vor allem im Umgang mit dem Gefahrgut – gut geklappt habe, sei die Übung nicht optimal verlaufen, räumt Feuerwehrsprecher Krawinkel ein. Bei der Einschätzung zu Beginn des Einsatzes sei der Schwerpunkt auf den Gefahrgutunfall gelegt worden. Dadurch habe man wertvolle Zeit für Brandbekämpfung verloren. Im Ernstfall wäre der Brand aber wohl kaum zu übersehen gewesen, allein wegen des Rauchs, so Krawinkel. Der Disco-Nebel bei der Übung reichte da nicht aus. In den nächsten Tagen soll nun analysiert werden, woran genau es gehakt hat. Ziel von solchen Übungen sei auch, dass Probleme zutage treten, betont der Feuerwehrsprecher: „Damit wir da, wo es nicht perfekt läuft, noch besser werden können.“
Die Übung in Zahlen
9 Monate lang hat ein Team der Berufsfeuerwehr Kassel die Katastrophenschutz-Übung in Zusammenarbeit mit SMA vorbereitet. Für alle Eingeweihten galt absolute Geheimhaltung: Die Einsatzkräfte wissen vorher zwar, wann die Übung stattfindet, kennen aber weder Ort noch Szenario.
60 Verletztendarsteller mimten die Opfer des Einsatz-Szenarios. Darunter auch das RUND-Team (realistische Unfall- und Notfalldarstellung) der DLRG. Sie sind nicht nur wie entsprechend geschminkt, sondern auch geschult, sich wie echte Verletzte zu verhalten. 80 Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr und Rettungsdiensten waren an der Übung beteiligt. Darunter auch spezielle Fahrzeuge für den Einsatz bei Gefahrgutunfällen.
260 Helfer waren aktiv an der Übung beteiligt: Mitglieder der Berufsfeuer und den Freiwilligen Feuerwehren, mehrere Notärzte sowie Mitarbeiter der Rettungsdienste von ASB, DRK und Johannitern. Weitere 80 Helfer, waren für Vorbereitung und Beobachtung der Übung eingespannt waren. Im Einsatz war außerdem Personal in Klinikum Kassel, Elisabeth- und Rot-Kreuz-Krankenhaus.