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In der Stadt Kassel wird nur halb so viel gebaut wie nötig

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Von: Bastian Ludwig

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Noch läuft Planung: Auf dem Areal des ehemaligen Versorgungsamtes an der Frankfurter Straße baut die Nassauische Heimstätte/ Wohnstadt 350 Wohnungen. 2025 sollen erste Mieter einziehen. Illustration: Hochstetter und Partner Architekten/ NHW
Noch läuft Planung: Auf dem Areal des ehemaligen Versorgungsamtes an der Frankfurter Straße baut die Nassauische Heimstätte/ Wohnstadt 350 Wohnungen. 2025 sollen erste Mieter einziehen. © Illustration: Hochstetter und Partner Architekten/ NHW

Es liegen große Aufgaben vor der Stadt Kassel, wenn sie die wachsenden Probleme auf dem Wohnungsmarkt in den Griff bekommen möchte.

Kassel - Dies zeigt das Wohnraumversorgungskonzept, das die Stadt mit der Wohnungswirtschaft, Verbänden und dem Institut Empirca zweieinhalb Jahre lang erarbeitet hat. So muss das Neubauvolumen von aktuell im Schnitt 400 Wohnungen pro Jahr auf 800 verdoppelt werden, um den Bedarf zu decken. Außerdem ist ein Mietspiegel überfällig, um die Preisspirale zumindest zu verlangsamen. Dieser soll ab Ende 2023 gelten.

In der Untersuchung wurden die drängendsten Aufgaben herausgestellt. So liegt die Stadt bislang weit hinter dem 2020 gefassten Ziel zurück, bis 2030 insgesamt 8000 Wohnungen zu errichten. Die Gründe dafür seien vielfältig, sagt Stadtbaurat Christof Nolda (Grüne). Einige private Investoren würden nicht in die Umsetzung kommen. Als Beispiele nannte er das Salzmann-Projekt in Bettenhausen und den Wohnungsneubau auf dem ehemaligen RKH-Gelände am Park Schönfeld. In beiden Projekten gebe es aber Bewegung.

Auch beim von der GWG geplanten Wohnquartier Lossegrund in Bettenhausen tat sich zuletzt wenig. Derzeit seien aber viele Großprojekte auch auf einem guten Weg, so der Stadtbaurat. Dazu zähle der Neubau auf dem Gelände des ehemaligen Versorgungsamtes an der Frankfurter Straße oder die Entwicklung des Wohngebietes Feldlager. Das Martini-Quartier ist kurz vor dem Abschluss.

Nolda räumte ein, dass auch der Personalmangel im Bauamt ein Problem sei. Dies unterstrich auch Gutachter Thomas Abraham von Empirica: „Mit dem bestehenden Personal ist das nicht zu stemmen.“ Es drohe eine Überlastung der Verwaltung.

„Wir müssen den politischen Druck erhöhen. Da dürfen wir nicht nachlassen. Es gibt einen hohen Bedarf an Wohnungen“, so Nolda. Materialmangel auf den Baustellen und der Flüchtlingsstrom seien unvorhersehbare Hindernisse gewesen.

Sozialdezernentin Ilona Friedrich (SPD) machte auf die sozialen Komponenten des Konzeptes aufmerksam. 29 000 Menschen in Kassel lebten von Transferleistungen. Für sie fehle bezahlbarer Wohnraum. Deshalb soll es unter anderem ein Bündnis für bezahlbares Wohnen geben. Zudem soll ein qualifizierter Mietspiegel ab Ende 2023 für Transparenz auf dem Mietwohnungsmarkt sorgen.

Um dem steigenden Bedarf und den sich wandelnden Anforderungen an Wohnungen gerecht zu werden, hat die Stadt Kassel gemeinsam mit Verbänden, der Wohnungswirtschaft und dem Institut Empirica mehrere Maßnahmen erarbeitet. Diese sind im Wohnraumversorgungskonzept zusammengefasst. Ein Überblick über die wichtigsten Vorhaben:

Schneller bauen

Weil die Stadt nur bedingt Einfluss auf die Entwicklung privater Grundstücke hat, sollen vor allem städtische Areale beschleunigt entwickelt werden. Bis 2030 sind 8000 zusätzliche Wohnungen nötig, um der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung zu entsprechen.

Weil freies Bauland rar ist und die Versiegelung weiterer Flächen aus ökologischen Gründen nicht sinnvoll ist, soll es vor allem um die Innenentwicklung gehen. Das heißt, innerhalb bebauter Areale wird es eine Verdichtung geben. Aufstockungen von Gebäuden und Umnutzungen von Gewerbeimmobilien für Wohnzwecke gehören ebenfalls zum Konzept.

Um die Bebauung zu beschleunigen, soll ein so genanntes Innenentwicklungsmanagement eingerichtet werden. Dafür ist weiteres Personal im Bauamt erforderlich. Private Grundstückseigentümer sollen aktiv angesprochen werden.

Weil Baumaterial knapp ist, die Baukosten steigen und Firmen ausgelastet sind, sei der beschleunigte Wohnungsbau eine große Herausforderung, sagt Wolfram Kieselbach von Haus & Grund in Kassel. Hinzu kämen die steigenden gesetzlichen Auflagen beim Bau.

Bezahlbare Mieten

Damit Wohnen nicht zunehmend zum Luxus wird, soll ein Bündnis für bezahlbares Wohnen geschaffen werden. Diesem sollen sich die Wohnungswirtschaft und Sozialverbände anschließen. Vergleichbare Bündnisse gibt es bereits in anderen Städten.

Mietspiegel

Ein qualifizierter Mietspiegel soll bis Ende 2023 erstellt werden. Im aktuellen Haushalt ist dafür bereits Geld bereitgestellt. Er setzt Mieterhöhungen klare Grenzen und sorgt für Transparenz auf dem Immobilienmarkt.

Und sonst noch

Eine Fachstelle soll für „Diskriminierungsfreiheit beim Wohnen“ sorgen. Herkunft und Religion dürften kein Argument bei der Auswahl der Mieter sein. Zudem sollen innovative Wohnformen (Baugemeinschaften, inklusives Wohnen) gefördert werden. Der Wohnungsmarkt soll stärker beobachtet werden. (Bastian Ludwig)

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