So stellen sich Alt-Grüne die documenta-Zukunft vor

Die Vorschläge langjähriger Mitglieder lauten: neue Strukturen, mehr Öffentlichkeit und ein Beirat für Kuratoren.
Kassel – Wie geht es weiter mit der documenta? Darüber hat sich ein Dutzend langjähriger Grünen-Mitglieder Gedanken gemacht, die das Geschehen rund um die documenta fifteen umtreibt. Die Gruppe um den einstigen Landtagsabgeordneten Reinhold Weist hat ein Papier verfasst, das nicht nur während der nächsten Kreismitgliederversammlung diskutiert und beschlossen, sondern auch der Bundesarbeitsgemeinschaft Kultur auf der nächsten Bundesversammlung vorgelegt werden soll.
Wesentlicher Bestandteil des Antrags sind Eckpunkte, die für die Zukunft wegweisend sein sollen. Denn eine inhaltliche Be- und Aufarbeitung nach der d 15 sei unabdingbar für den zukünftigen, weiteren Erfolg der Weltkunstausstellung. Die Punkte im Einzelnen sind:
- „Das Beteiligungsmodell Stadt/Land/Bund soll über die finanzielle Beteiligung weiter ausgebaut werden und wieder eine gleichberechtigte Mitsprache zum Beispiel im Aufsichtsrat angestrebt werden.“ Wie genau dann die Gesellschafterstruktur aussehen soll, das lassen die Alt-Grünen offen. Bisher sind Stadt und Land je zu 50 Prozent Gesellschafter der documenta und Museum Fridericianum gGmbH.
- „Die Auswahl der Mitglieder der Findungskomissionen, die ihrerseits die Kuratorinnen und Kuratoren vorschlagen, sollte öffentlich vorgestellt und begründet werden.“
- „Das Gleiche sollte auch für die Vorschläge der Findungskommission gelten.“
- „Bei allen gründlich hinterfragten Entscheidungen, personell wie inhaltlich, sollte gemäß dem Grundkonsens der documenta die künstlerische Freiheit als hohes Gut gewährleistet bleiben.“
- „Den jeweiligen Kuratorinnen und Kuratoren kann/soll ein Beirat zur Seite gestellt werden, dessen Aufgaben und Kompetenzen zu jeder documenta vom Aufsichtsrat neu beschrieben werden.“
- „Veranstaltungen und Symposien sollen ausgerichtet werden zum Beispiel durch die documenta gGmbH in Kooperationen mit dem doc-Institut, der Kunsthochschule, Parteien und anderen gesellschaftlichen Akteuren.“
- Dass frühe documenta-Ausstellungen unter maßgeblicher Einflussnahme von ehemaligen Aktiven und an den Verbrechen des NS-Regimes beteiligten Mitgliedern der NSDAP standen – dieser Vergangenheit müsse sich Kassel, und nicht nur die documenta gGmbH, endlich stellen. Die Grünen schlagen vor, zwei Ausstellungs-Projekte im Fridericianum zusammenzubringen: die mit dem documenta-Archiv und dem Solinger Zentrum für verfolgte Künste erstellte Ausstellung und diejenige des Deutschen Historischen Museums (DHM) Berlin zur documenta. Die Solinger Schau soll nach einer Station in Krakau 2023 in Kassel zu sehen sein – das steht fest. Dass die Berliner Aufarbeitung der documenta-Geschichte von 2021 noch einmal in Kassel gezeigt werden kann, ist indes kaum vorstellbar.
Die Initiative verstehen die langjährigen Grünen, zu denen etwa Marianne Knipping, Jürgen Blutte, Uwe Josuttis, Sabine Giesa und Iring von Buttlar gehören, auch als Antwort auf das Geschehen rund um die umstrittene 15. documenta mit der Präsentation antisemitischer Kunstwerke. Dabei lehnen die Unterzeichner jede Verlagerung der documenta in andere Städte ab. Nun muss zunächst die Partei darüber befinden. (Florian Hagemann und Mark Christian von Busse)