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Sofias Glück ist die Schule

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Von: Christina Hein

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Lexi und Mika sind mit Sofia aus der Ukraine (von links) in einer Klasse. Morgens gehen die Viertklässler zusammen zur Herkulesschule.
Sind schon Schulfreunde geworden: Lexi und Mika sind mit Sofia aus der Ukraine (von links) in einer Klasse. Morgens gehen die Viertklässler zusammen zur Herkulesschule. © Christina Hein

Für die Kinder der ukrainischen Geflüchteten besteht keine Schulpflicht, aber eine Schulberechtigung. Die elfjährige Sofia gehört zu den ersten, die in Kassel schon eine Schule besuchen. Es sind insgesamt 34 Kinder.

Kassel. Abends, wenn sie im Bett liegt, muss Sofia immer an ihren Papa denken. Oft muss sie weinen, weil sie und ihre Mama sich große Sorgen um ihn machen. Er ist im ukrainischen Lemberg geblieben, wo er sich der zivilen Territorialverteidigung des Landes angeschlossen hat. Vor zwei Wochen ist Sofia mit ihrer Mama Christina Halchak vor den russischen Angriffen auf die Ortschaften in ihre Heimat nach Kassel geflohen.

So niedergeschlagen die Elfjährige abends oft ist – am Morgen steht Sofia in der neuen Umgebung voller Tatendrang auf, denn sie freut sich auf die Schule. Dass sie schon seit ein paar Tagen die Herkulesschule besucht und damit zu den ersten ukrainischen Kindern gehört, die in Kassel zur Schule gehen, ist einer Verkettung glücklicher Umstände zu verdanken. Über den Kontakt zu einer deutsch-ukrainischen Familie in Kassel haben Sofia und ihre Mama schnell eine schöne Unterkunft bei einer Kasseler Familie im Vorderen Westen vermittelt bekommen.

Marion Völker, Leiterin Herkulesschule Kassel
Marion Völker, Leiterin Herkulesschule © Hein, Christina

Die Grundschulkinder der beiden Kasseler Familien, Lexi und Mika, besuchen eine vierte Klasse der Herkulesschule. Und so kam es, dass ruckzuck Sofia dort ebenfalls angemeldet wurde und sie sogar schon gleich zwei neue Freunde hat, mit denen sie zur Schule geht. Auf die Frage, ob ihr die Schule gefalle, hält sie den Daumen hoch und strahlt. Dass sie schnell die deutsche Sprache erlernen wird, davor habe sie keine Bange.

Noch helfe ihr Lexi, die in der Klasse neben ihr sitzt und ukrainisch spricht, beim Übersetzen. Und in Mathe sei sowieso alles einfach. Weil sich Sofia ein Jahr hat zurückstufen lassen, lerne sie jetzt Stoff, den sie in der Ukraine schon längst durchgenommen hat.

„Sofia ist an unserer Schule von den Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften herzlich aufgenommen worden“, sagt die Schulleiterin der Herkulesschule, Marion Völker. Sie freue sich sehr über den Zuwachs. „Wir sind vorbereitet.“ Was grundsätzlich fehle, seien genügend Sprachenlehrer.

Der Angriffskrieg in der Ukraine bewege und belaste die Grundschulkinder, sagt Völker. Dass sie jetzt mit einem Kind aus der Ukraine gemeinsam lernen können, löse bei vielen einen Knoten. In den vergangenen Tagen haben die Herkulesschüler Hilfsaktionen auf die Beine gestellt. So fließe der Erlös eines von Schülern mit einer Friedenstaube bedruckten T-Shirts in Projekte für geflüchtete Ukrainer. » 

Information

Kinder von ukrainischen Geflüchteten sind berechtigt, Schulen zu besuchen. Eine Schulpflicht gibt es für sie nicht, aber fast alle möchten so bald wie möglich wieder einen Schulalltag haben.

Das Amt für Schule und Bildung der Stadt Kassel steht mit allen Schulen in Kontakt, um an jedem Standort die zusätzlichen Beschulungsmöglichkeiten zu erfragen und notwendige Rahmenbedingungen zu organisieren, heißt es auf Anfrage der HNA. „Hier zeichnet sich eine hohe Solidarität und Hilfsbereitschaft der Schulen ab“, sagt Bürgermeisterin Ilona Friedrich. „Aktuell haben wir 40 unterschiedlich große Räume an 32 Schulstandorten, die angeboten wurden. Diese werden jetzt geprüft und gegebenenfalls eingerichtet.“

Gleichzeitig prüft die Stadt, ob freie Räume in der Nähe zu Schulstandorten herangezogen werden können, etwa Bürger- oder Gemeindehäuser. Allerdings sei der Stadt noch nicht bekannt, wie viele Kinder und Jugendliche tatsächlich in die Schulen oder Kitas gehen werden. Welche Schulen sie besuchen werden, hänge davon ab, in welchem Schulbezirk die Familien eine Unterkunft finden. Bisher haben sich in Kassel rund 570 minderjährige Geflüchtete im Servicebüro Ukraine gemeldet.

Bei der Verpflegung in den Schulen sowie Schulmaterial können Mittel des Bildungs- und Teilhabepaketes genutzt werden. Es sei geplant, Angebote in den Ferien auszuweiten, damit auch die ukrainischen Kinder – egal ob sie zur Schule gehen oder nicht – teilnehmen können.

„Wir möchten durch all diese Bemühungen den Kindern und Jugendlichen eine Chance auf Alltag geben, in dem sie zur Ruhe kommen können, mit Gleichaltrigen lernen und einfach wieder Kind sein dürfen“, so Friedrich. Eine wichtige Aufgabe werde sein, die Familien bei der gesundheitlichen Versorgung wie die verpflichtende Masernimpfung für Kinder zu unterstützen.“ Die Stadt Kassel arbeite in enger Abstimmung mit dem Staatlichen Schulamt zusammen.

Nach Auskunft des Staatlichen Schulamts wurden bislang zwölf Grundschulkinder und 22 Kinder in der Sekundarstufe I aufgenommen. Amtsleitern Annette Knieling sagt: „Die Anfragen zur Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine in eine Schule kommen mit einer kleinen Verzögerung im Vergleich zum eigentlichen Aufnahmeverfahren bei den Behörden an, „weil die Menschen ja auch mental erst einmal in der neuen Situation ankommen müssen.“ Sie stelle ein grundsätzlich hohes Interesse fest, dass ukrainische Kinder direkt eine Beschulung aufnehmen beziehungsweise fortsetzen. Im Staatlichen Schulamt ist das Aufnahme- und Beratungszentrum (ABZ) zuständig. In der Stadt Kassel erfolge die Aufnahme wie gewohnt über das ABZ im Schulamt. Von dort werden die Schülerinnen und Schüler Schulen zugewiesen. Die Grundschulen nehmen in eigener Zuständigkeit auf und benachrichtigen das ABZ.

In der Regel besuchen die Kinder Intensivklassen, da dort intensiv Deutsch unterrichtet wird und eine Anbindung an die Regelklassen erfolge. Dies sei aber nicht verpflichtend. Schüler der Sekundarstufe I werden auf freie Plätze in den Intensivklassen und neu eingerichteten Klassen verteilt. Zugrunde liegen Aufnahmekapazitäten der Schulen und der Wohnort, „um eine möglichst gute Erreichbarkeit der Schule sicherzustellen“.

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