SPD-Parteitag: So haben die Kasseler Delegierten in Bonn abgestimmt

Kassel. Nach einer langen Debatte machten sich die zehn heimischen Delegierten des SPD-Sonderparteitags am Sonntagabend in Bonn auf die Heimreise nach Nordhessen.
Fünf Stimmen zur Parteitags-Debatte und zur knappen Entscheidung der SPD, nach der Sondierung jetzt in weitere Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU-Bundestagfraktion einzusteigen:
Esther Kalveram

hat in Bonn wie angekündigt mit Nein gestimmt. „Es ist im Moment so, dass ich das Vertrauen in unseren Parteivorstand eher nicht habe. Jetzt müssen in den kommenden Verhandlungen deutliche Verbesserungen erreicht werden, ich wünsche mir mehr. Und die SPD muss sich auf jeden Fall erneuern, unabhängig von der jetzt getroffenen Entscheidung“, sagt die ehrenamtliche Stadträtin aus Kassel.
Enrico Schäfer

hat wie von ihm angekündigt mit Ja gestimmt. „Der Parteitag ist gut gelaufen, wir hatten eine offene Debatte, es wurden alle Argumente ausgetauscht. In den Redebeiträgen ging nichts unter die Gürtellinie, das fand ich positiv. Es war auch hilfreich, dass klar gesagt wurde: Wenn es keine Koalitionsverhandlungen gibt, wird es im Herbst Neuwahlen geben“, sagt der SPD-Stadtverordnete aus Kassel, der auch Ortsvorsteher in Bettenhausen ist.
Manfred Schaub

hat mit Ja gestimmt: „Es gab eine stabile nordhessische Position für Verhandlungen mit der höchsten Zustimmungsrate in der Delegation. Mit dem Ergebnis von annähernd 60 Prozent habe ich gerechnet. Alle haben sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht. Es wird jetzt noch ausreichend Arbeit geben, die Partei zusammen zu halten“, erklärt der Vorsitzende des SPD-Bezirks Hessen-Nord und Bürgermeister Baunatals, der Delegationsleiter der nordhessischen Teilnehmer des Sonderparteitags in Bonn war.
Timon Gremmels

hat mit Ja gestimmt: „Das war eine Sternstunde der politischen Diskussion in unserer Partei. Jetzt bin ich froh, dass wir in die Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU gehen. Anschließend wird es vom Ergebnis dieser Verhandlungen und vom Votum aller SPD-Mitglieder abhängen, ob es eine neue Große Koalition in Berlin geben wird. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg“, sagt der Bundestagsabgeordnete aus Niestetal.
Wolfgang Decker

war als Gastdelegierter mit von der Partie, hatte aber kein Stimmrecht beim SPD-Sonderparteitag: „Keine leichte Entscheidung. Das zeigt das enge Ergebnis. In Abwägung des Für und Wider halte ich die Entscheidung für Koalitionsverhandlungen für richtig. Die Punkte müssen jetzt hart und mit Selbstbewusstsein verhandelt werden. Die SPD muss dabei geschlossen stehen“, sagt der Landtagsabgeordnete aus Kassel.
Mit den Verhandlungen soll jetzt rasch begonnen werden. Das letzte Wort haben dann alle 440.000 Mitglieder der sozialdemokratischen Partei in Deutschland.
Wie geht es jetzt weiter?
Union und SPD stellen sich nach der knappen Zustimmung der Sozialdemokraten auf schwierige Koalitionsverhandlungen ein. Für Ärger in der Union sorgt die SPD-Forderung, die Sondierungsergebnisse in der Arbeits-, Gesundheits- und Flüchtlingspolitik nachzubessern. Das CSU-Präsidium sprach sich noch am Sonntagabend gegen eine Neuverhandlung aus. «Es gab keine Stimme, die dies für verhandelbar erklärt hat», sagte Parteichef Horst Seehofer. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles warnte ihre Partei vor zu hohen Erwartungen.
Union und SPD wollen nun schnell Gespräche über die Regierungsbildung aufnehmen. Bereits am Montagabend ist ein Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer mit dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz geplant. Dabei wollen sie organisatorische Fragen klären und Abläufe festlegen. Zuvor stimmen sich Union und SPD intern ab.
Die Koalitionsverhandlungen sollen noch in dieser Woche beginnen. Der genaue Zeitpunkt ist bisher offen. Ziel in der Union ist es, vor Ostern eine stabile Regierung zu haben. Allerdings sollen vorher noch die SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen.
Video: Der Moment der Abstimmung auf dem Parteitag in Bonn
GroKo-Gegner wollen nicht klein beigeben
Nach der knappen Entscheidung der SPD für Koalitionsverhandlungen mit der Union will der Wortführer der GroKo-Gegner, Juso-Chef Kevin Kühnert, weiter Widerstand mobilisieren. «Für uns beginnt jetzt erst der große Teil der Arbeit. Wir wollen die Mitglieder davon überzeugen, dass unser Weg der richtige ist - und ich glaube, dass wir das schaffen können», sagte Kühnert dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag). "Sobald der Entwurf für den Koalitionsvertrag vorliegt, werden wir Jusos in ganz Deutschland Veranstaltungen machen und für unsere Position werben."
Das sagen die anderen Parteien aus dem deutschen Bundestag
Grünen-Chef Cem Özdemir geht nach dem knappen Votum der SPD für Koalitionsverhandlungen mit der Union von einer schwierigen Regierungsbildung aus. Mit nur 56 Prozent Ja-Stimmen auf dem SPD-Sonderparteitag in Bonn sei klar, dass es beim Mitgliederentscheid der Sozialdemokraten über einen Koalitionsvertrag nochmal eng werde, sagte Özdemir am Sonntag in Berlin. "Damit ist aber auch klar: Stabil wird diese große Koalition, wenn sie denn zustanden kommt, nicht." Die SPD sei «im höchsten Maße gespalten", die Angst vor einer Neuwahl habe sich durchgesetzt.
Die Linke rechnet mit einer schwachen neuen Regierung. "Was die SPD in den Verhandlungen noch erreichen kann, wird im symbolischen Bereich bleiben", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die Parteichefs von SPD, CDU und CSU, Martin Schulz, Angela Merkel und Horst Seehofer, seien angeschlagen. Aus jeweiliger Schwäche heraus dürften sie nun zusammenfinden. "Entgegen allen Beteuerungen gibt es im Kern ein Weiterso", kritisierte Bartsch.
Das knappe Ja des SPD-Parteitages macht die anstehenden Koalitionsverhandlungen mit der Union nach Ansicht von FDP-Chef Christian Lindner nicht einfach. Lindner sagte am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur: "Wenn die gesamte Führung für den Regierungseintritt wirbt, aber nur eine knappe Mehrheit des Parteitags folgt, ist das eine Hypothek." Er fügte hinzu: "Das Ergebnis lässt befürchten, dass in den Koalitionsverhandlungen nun Rückschritte zu erwarten sind. Widersprüche zwischen den Koalitionspartnern werden nach "Methode Merkel" nun vermutlich mit noch mehr Steuergeld zugeschüttet."
Die AfD hat die SPD-Entscheidung für Koalitionsverhandlungen mit den Unionsparteien als "würdelos" und "unglaubwürdig" bezeichnet. Die Sozialdemokraten hätten sich nun entschieden, ihren "trudelnden Blindflug" in die Bedeutungslosigkeit fortzusetzen, sagte Parteichef Jörg Meuthen am Sonntag. (mit dpa)
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