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Kassel: Protestcamp-Standort sorgt bei Anwohnern für Unmut

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Von: Christina Hein

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Neben anderen Aktivisten laden sie Kasseler ein, in die Goetheanlage zu kommen: Conni Lenert, Christine Bayer und Franziska Meyer-Lantzberg vom Veranstalter-Bündnis .
Sie wollen mit Menschen ins Gespräch kommen: Neben anderen Aktivisten laden sie Kasseler ein, in die Goetheanlage zu kommen: Conni Lenert, Christine Bayer und Franziska Meyer vom Veranstalter-Bündnis. © Christina Hein

Ab sofort lädt das Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“ unter dem Motto „Kassel entwaffnen ist (k)eine Kunst“ bis 4. September zu Aktionstagen gegen Krieg, Aufrüstung und Abschottung ein.

Kassel – Es war vor allem der stundenlange Lärm eines Presslufthammers am Sonntagnachmittag, der die Anwohner der Goetheanlage auf das temporäre Camp in der Grünanlage aufmerksam gemacht und verärgert hatte. Mit der geräuschintensiven Maschine wurden Löcher in den steinharten Boden gebohrt, um dort Zeltstangen verankern zu können.

Seit dem Wochenende sind in der Grünanlage im Vorderen Westen Dutzende Zelte aufgebaut, darunter ein großes Zirkuszelt für Veranstaltungen. Von heute an lädt hier unter dem Motto „Kassel entwaffnen ist (k)eine Kunst“ das 2018 in Niedersachsen gegründete Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“ bis Sonntag, 4. September, zu „Aktionstagen gegen Krieg, Aufrüstung und Abschottung“ zu Veranstaltungen und Workshops ein. 200 bis 300 Teilnehmer aus dem In- und Ausland werden erwartet.

„Wir hätten unsere Zelte gerne vorher und nicht erst am Sonntag aufgebaut“, sagt Bündnis-Sprecherin Conni Lenert. Das sei vor sechs Monaten beantragt worden. Aber die Stadt Kassel habe das nicht genehmigt. Stattdessen habe am Sonntag die Polizei genau darauf geachtet, dass die Arbeiten erst um 12 Uhr begannen. „Das hat uns auch leidgetan, und wir haben das den Anwohnern, die sich bei uns beschwert haben, gesagt“, erklärte Nina Kempe vom Veranstalter-Bündnis. Insgesamt habe sie aber den Eindruck, dass Anwohner wie andere Stadtteilbewohner dem Camp aufgeschlossen gegenüber seien. „Wir haben schon jetzt viele gute Gespräche geführt.“

Doch es gibt auch Verwunderung und Kritik am Standort des antimilitaristischen Protestcamps. Oliver Zannoun, der in der Goethestraße wohnt, sagt: „Im Zuge des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit und das Demonstrationsrecht ist es nachvollziehbar, warum eine Veranstaltung zu genehmigen ist, jedoch erschließt sich weder mir, noch anderen Anwohnern der Goetheanlage, warum dies in einem rein und voll bewohnten Gebiet passieren darf.“

Die Goetheanlage sei ein Treffpunkt vor allem für die Menschen, die dort leben. Viele fühlten sich übergangen: Es seien seitens des Veranstalters oder der Stadt keinerlei Gespräche geführt, geschweige denn eine Ankündigung im Vorfeld erfolgt. „Die Goetheanlage ist kein Campingplatz. Ein Protestcamp über einen Zeitraum von sechs Tagen stattfinden zu lassen, ist einfach unverständlich.“

Zannoun ist zudem über die Wortwahl des Bündnisses besorgt. Auf einem Flyer werde das Ziel des „Enterns, also des Überfallens und Eroberns“ der Rüstungsproduktion von Rheinmetall als Ziel genannt. Ältere Nachbarn und Anwohner hätten darüber Ängste und Sorgen geäußert. „Solch radikale Vorhaben tragen nicht zur Lebensqualität im Viertel bei. Es mag viele Standpunkte und Sichtweisen im Hinblick auf Rheinmetall geben. Jedoch ist es kein besonders glücklicher Umstand, ein reines Wohngebiet in diese Thematiken reinzuziehen.“

Auch dass der Veranstalter auf seiner Website auf kostenlose Parkplätze rund um das Camp hinweise, verärgere: „Die Goethestraße ist eine Fahrradstraße und gekennzeichnet als Verkehrsstraße für Anlieger“, so Zannoun. Ärgerlicherweise habe das Campen am Rand der Goetheanlage, das Urinieren und Kochen, ohnehin während dieses Sommers zugenommen.

„Der Ort der Versammlung in der Goetheanlage wurde von den Veranstaltern selbst gewählt und ist Teil der grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit“, sagt dazu ein Sprecher der Stadt Kassel. Nach dem 4. September folgten die Abbauarbeiten. „Laut Auflagenverfügung darf weder die örtliche Bepflanzung beschädigt noch dürfen Löcher gegraben werden.“ Da um die Goetheanlage eine dichte Wohnbebauung vorliege, seien Beschwerden nicht auszuschließen. Deshalb würden regelmäßige Kontrollen von Landes- und Stadtpolizei stattfinden, um die Beschwerdelage möglichst gering zu halten.

Der SPD-Ortsverein Vorderer Westen ist mit der 25. Auflage seines traditionellen Flohmarkts in der Goetheanlage auf den 10. September ausgewichen.

Zu dem Camp, das das Bündnis „Rheinmetall entwaffnen“ zurzeit in der Kasseler Goetheanlage organisiert und das sich direkt an die Firma Rheinmetall mit Hauptsitz in Düsseldorf wendet, äußert sich ein Sprecher des Unternehmens, Oliver Hoffmann: „Sicherheitsvorsorge ist heute wichtiger denn je. Dazu gehören auch militärische Mittel und Ausrüstung, wie wir sie bei Rheinmetall produzieren. Wir sind dankbar dafür, der Bundeswehr ein leistungsfähiger Partner zu sein, wenn es um die Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands geht.

In diesem Sinne geben Rheinmetall-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter auch in Kassel täglich ihr Bestes.“ Zu der Kritik an Rheinmetall sagt der Sprecher: „Die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit sind wichtige Grundrechte in unserer Demokratie. Mit Produkten für die Sicherheitsvorsorge leistet Rheinmetall einen relevanten Beitrag dazu, unsere freiheitliche Grundordnung zu schützen, die unsere Werte und Grundrechte garantiert. Wir respektieren das Recht zur freien Meinungsäußerung und lassen auch kritische Positionen Andersdenkender gelten. Wir bitten aber um Fairness und verwehren uns entschieden gegen unsachliche Stimmungsmache.“

Für Dienstag, 30. August, ab 16.30 Uhr, sind alle Anwohner von den Veranstaltern zu einem Antikriegscafé eingeladen. Infos: rheinmetallentwaffnen.noblogs.org

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