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Nach Streit um Verkehrsversuch in Kassel: Jetzt müssen Radfahrer auf dem Steinweg schieben

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Von: Matthias Lohr

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Geh- und Radweg am Steinweg vor dem Fridericianum in Kassel.
Hier müssen Radfahrer jetzt schieben: Steinweg vor dem Fridericianum. © Matthias Lohr

Erst sollte es in Kassel einen Verkehrsversuch geben, nun müssen Radfahrer auf einer der wichtigsten Routen schieben. Nicht nur die Grünen kritisieren das scharf.

Kassel – Als der Grünen-Lokalpolitiker Sven Schoeller am Mittwoch (15. Juni) über den Steinweg radelte, war er so verwundert, dass er gleich ein Foto auf Instagram veröffentlichte. Es zeigt den Geh- und Radweg vor dem Fridericianum, wo nun Poller stehen. Ein Schild macht klar: Radfahren ist hier nicht mehr erlaubt, es muss geschoben oder auf der Straße gefahren werden. Unter sein Bild schrieb Schoeller, dass dies „ein erbärmliches und unfassbares Desaster für die Verkehrsordnungsbehörde“ sei.

Eigentlich hätte auf dem Steinweg in Kassel während der documenta ein Verkehrsversuch stattfinden sollen, den der Grünen-Verkehrsdezernent Christof Nolda im Mai vorstellen ließ. Eine von sechs Fahrspuren sollte gesperrt werden und zum Radstreifen werden. Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) kassierte das Vorhaben wegen Sicherheitsaspekten – und weil es nicht mit ihm abgesprochen gewesen sei. Zudem entzog er Nolda Aufgaben und übertrug sie dem SPD-Dezernenten Dirk Stochla. Auch deswegen kündigten die Grünen die Koalition mit der SPD auf.

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Die Poller, die Radfahrern auf beiden Seiten den Weg versperren, sind Teil des Sicherheitskonzepts der documenta in Kassel, das im Austausch „zwischen Polizei und städtischen Ämtern“ erarbeitet wurde, wie ein Rathaussprecher mitteilt. Zudem gilt auf dem Steinweg nun Tempo 30.

Dass die Poller den Radweg versperren, kann Schoeller nicht verstehen. Während der documenta 2017 war die rechte Spur Richtung Trompete gesperrt. Dort standen Betonleitplanken. Der Rad- und Gehweg war frei. Über die jetzige Situation sagt der verkehrspolitische Sprecher der Grünen: „Der Steinweg wird zum Symbol für einen im vergangenen Jahrhundert stecken gebliebenen verkehrspolitischen Ansatz. Geselle hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt.“

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Auch andere üben Kritik. Thomas Hofmann von der Initiative Radentscheid sagt: „Bescheuerter geht es nicht. Die documenta-Gäste werden es danken, dass der wenige Raum für Menschen zusätzlich eingeschränkt wird.“ Fuß- und Radverkehr würden in Kassel immer noch dem ungestörten Fluss des Autoverkehrs untergeordnet.

Und selbst in Geselles SPD ist man nicht begeistert. Allerdings will sich niemand öffentlich äußern. Ein Sozialdemokrat bekennt, dass er mit der Entscheidung nicht glücklich sei. Er hoffe, dass sich noch etwas ändere. Das ist nicht ausgeschlossen. Laut dem Stadtsprecher wird das Sicherheitskonzept „fortlaufend evaluiert und bei Bedarf angepasst“. (Matthias Lohr)

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