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Er muss seine Wohnung verlassen: Rollstuhlfahrer sucht dringend eine Bleibe

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Von: Christina Hein

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Rollstuhlfahrer Heinz-Josef Steinhäuser aus Kassel soll am Mittwoch seine Wohnung verlassen haben.
Heinz-Josef Steinhäuser soll am Mittwoch seine Wohnung verlassen haben. © Christina Hein

Rollstuhlfahrer Heinz-Josef Steinhäuser droht eine Zwangsräumung wegen Eigenbedarf. Er sucht verzweifelt eine behindertengerechte Wohnung.

Kassel – Heinz-Josef Steinhäuser ist ein Kämpfer. Seit seiner Diagnose einer seltenen Form der Muskeldistrophie im Alter von 13 Jahren ist er am Rackern, sein Leben zu meistern. Gegen alle Widerstände, die das Schicksal für ihn bereit hält. Jetzt hat er ein weiteres Problem: Er sitzt quasi auf der Straße, weil ihm gekündigt wurde und er keine neue behindertengerechte Wohnung findet.

„Ich war ein sportbegeisterter Junge“, sagt Steinhäuser, „da können Sie sich vorstellen, was die Aussicht auf einen fortschreitenden Muskelverlust für mich bedeutete.“ Steinhäuser beißt sich durch, schafft es bis in seinen Beruf als LKW-Fahrer. Seit zehn Jahren ist der Bewegungsapparat des 54-Jährigen so stark eingeschränkt, dass er auf einen Elektrorollstuhl angewiesen ist. Die mangelnde Bewegung hat zu Wasserbildung in den Beinen geführt. Drei mal die Woche kommt ein Pflegedienst, um seine offenen Beine zu verbinden.

Den Alltag bewältigen wie das Aus-dem-Bett-kommen und die Morgentoilette, die schon mal zwei Stunden beanspruchen kann, könnte Steinhäuser nicht bewerkstelligen, ohne die Hilfe seiner Mitbewohnerin Karin F., die ihn ehrenamtlich sieben Tage rund um die Uhr pflegt. Sie haben sich ihr Leben so eingerichtet, dass Steinhäusers Krankheit bewältigt werden kann. „Selbstbestimmt leben“, lautet seine Devise, wenn ihn andere fragen: Warum gehst du nicht ins Heim?

Doch jetzt stehen er und seine Mitbewohnerin vor einem existenziellen Desaster. Am Mittwoch sollen sie aus ihrer 80-Quadratmeter-Wohnung in Wilhelmshöhe, in der sie seit 2004 wohnen, verschwunden sein. Eine Räumungsklage steht im Raum.

Und das kam so: Die Eigentümerin der Wohnung, in die der Rollstuhlfahrer so bequem über die Tiefgarage und einen Fahrstuhl gelangt, gehörte der Cousine von Karin F. Alles lief über Jahre reibungslos. Die Miete wurde pünktlich überwiesen – auch als die Cousine ins Seniorenheim kam. Dass sie vor zwei Jahren verstorben war, erfuhren Steinhäuser und Karin F. erst, als ihnen ein Brief ins Haus flatterte, in dem sie die neue Eigentümerin der Wohnung zum Ausziehen aufforderte. Es stellte sich heraus, dass es sich bei der Frau, eine Mitarbeiterin aus dem Seniorenheim, um die Alleinerbin der Cousine handelte. 2020 kam das ultimative Argument der neuen Eigentümerin: Sie meldete für ihre Tochter Eigenbedarf an.

Die Crux: „Wir finden keine neue Bleibe, so sehr wir uns auch bemühen“, sagt Karin F.: „Wir müssten ja unsere Lifter-Anlage einbauen lassen. Es ist nicht so einfach.“ „Es gibt zu wenig behindertengerechte Wohnungen“, sagt Steinhäuser.

Seit zwei Jahren seien sie verzweifelt am Suchen. „Die Pandemie hat uns die Suche extrem erschwert“, sagt Karin F. Sie melden sich auf jede Immo-Anzeige, die in Frage kommt, sind aber auch selber initiativ: im Internet und mit dem guten alten Aushang in Geschäften, wo man sich die Telefonnummer abreißen kann. „Rollstuhlfahrer + Pflegekraft suchen 3-5 ZKB 75 -100 Quadratmeter in KS“ ist darauf zu lesen.

Ihre angestrebte Räumungsschutzklage, um einen Aufschub der Kündigung zu erwirken, wurde von einer Richterin am Landgericht abgewiesen, weil sie annahm, die Mieter hätten sich nicht ausreichend um passenden Mietraum bemüht. Jetzt haben Heinz-Josef Steinhäuser und Karin F. eine Liste erstellt, auf der sie genau aufführen, wann sie sich wo um eine Wohnung bemüht haben, beispielsweise seit zwölf Jahren bei der GWG. Steinhäuser: „Ich brauch ‘ne Wohnung, mehr nicht, bitte helft mir.“

Kontakt: Tel. 01575 5 58 03 77

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