Jedes Kind kennt seinen Bus: Eismann am Auedamm hat doppelten Grund zum Feiern

Antonio Galati, der Eismann vom Auedamm, steht mit 83 Jahren Tag für Tag mit seinem Verkaufswagen an der Gärtnerplatzbrücke - und das seit 40 Jahren.
Kassel – Das Foto des Betreibers auf dem orangefarbenen Kleinbus ist eigentlich nicht nötig. Denn wer Antonio Galati ist, weiß am Auedamm jedes Kind. Ein leckeres Eis auf die Hand aus dem Verkaufswagen an der Gärtnerplatzbrücke hat schon Generationen von Spaziergängern erfreut. In dieser Saison steht dem 83-jährigen Eisverkäufer ein doppeltes Jubiläum ins Haus: Seit 50 Jahren ist Galati im Speiseeisgeschäft und seit 40 Jahren schon steht er mit seinem Eis-Mobil an der Gärtnerplatzbrücke.
Und das praktisch jeden einzelnen Tag in der milden Jahreszeit. „Wenn es sich gar nicht lohnt, fahre ich eben nach ein paar Stunden wieder“, sagt der Mann mit der Schiebermütze. Nur wenn es mal gar nicht geht, hilft der Sohn aus; ansonsten ist die Eisversorgung am Auedamm Antonio Galatis Lebenselixier und Lebensrhythmus.
In den Morgenstunden stellt der 83-Jährige in seiner Produktionsstätte an der Lilienthalstraße, wo er auch wohnt, die Eissorten her. Dann nimmt der Bus seinen Stammplatz an der Gärtnerplatzbrücke ein. An schönen Tagen wie diesen ist das Geschäft ein Selbstläufer: Ständig reihen sich neue Eisfans am seitlichen Verkaufsfenster ein, bestellen Waldmeister oder Zitrone, Mango, Stracciatella oder andere Sorten.
Von Laufkundschaft kann man eigentlich nicht sprechen, denn immer wieder begrüßen sich Galati und etliche seiner Kunden wie alte Bekannte. Mit seinem Eis habe er viele Kasseler förmlich „großgezogen“, scherzt der 83-Jährige: „Die kamen schon, als sie noch Windeln getragen haben. Und heute haben sie selber Kinder.“
Ein junger Mann war Antonio Galati, als er 1960 als Gastarbeiter aus Kalabrien nach Deutschland kam. Ein paar Jahre arbeitete er in Industriebetrieben: „VW, Mercedes, Henschel – ich hab’ alles gemacht“. Dann, Anfang der 1970er, folgte der Wechsel in die Eis-Gastronomie.
Erst in Alfeld an der Leine, dann im Kasseler Hansahaus hat Galati eine stationäre Eisdiele betrieben. Weil es dann aber „schwierig mit dem Personal“ geworden sei, entschloss er sich, sein Speiseeis mobil aus einem Verkaufswagen anzubieten. Das lief in den Anfängen per Reisegewerbeschein, ab 1982 dann auf dem fest von der Stadt Kassel gemieteten Standplatz an der Gärtnerplatzbrücke.
Als die vor 15 Jahren neu gebaut wurde, gehörte Antonio Galati schon so sehr zum Inventar, dass er nicht nur „wie ein Hausmeister“ für die Bauleute war, sondern auch Verbesserungen für sein Geschäft aushandeln konnte. Seither kommt der Strom für die Kühlung per Kabel aus dem Brückenkörper, wo für den Eiswagen eigens ein Stromzähler installiert wurde.
Galatis Verkaufsbus ist im Lauf der Jahrzehnte schon der dritte. Wie alle Vorgänger ist der aktuelle Renault im knalligen Orange lackiert, das in der Gründungszeit des ambulanten Eisverkaufs in Mode war. „Die Leute wissen: Orange bedeutet Eis“, sagt Galati.
Tatsächlich ist in Kassel die Geschichte eines Kleinkindes überliefert, das kaum die ersten Worte stammeln konnte. Als es mit seiner Mutter im Bus auf dem Auedamm unterwegs war, erspähte das kleine Mädchen den signalfarbenen Wagen, streckte das Fingerchen aus und rief nicht etwa „Auto“, sondern „Eis“. Aus langjähriger Erfahrung weiß Antonio Galati, dass er kleine Kinder immer zuerst bedienen muss: „Die werden sonst unruhig, weil sie Angst haben, dass sie am Ende nichts mehr kriegen.“
Eine weitere Erkenntnis aus all den Jahrzehnten: „Die Qualität muss stimmen, sonst nützt der beste Standplatz nichts“. Wie lange wird man den betagten Eisverkäufer noch Tag für Tag an der Gärtnerplatzbrücke antreffen? Antonio Galati muss keine Sekunde überlegen: „So lange die Batterie noch funktioniert“, sagt er – und meint damit nicht seinen Bus. (Axel Schwarz)