Tausende Dateien mit Kinderpornografie: Gericht verurteilt Mann aus Kassel

Besitz und Tausch von Kinderpornografie: Schöffengericht verurteilt 61-jährigen Kasseler zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung
Kassel – Wie sieht ein Mann aus, der mehr als 8000 kinder- und jugendpornografische Schriften auf PC, USB-Sticks, Disketten und seinem Mobiltelefon hatte? Der im Internet diese Fotos und Videos herunterlud und mit Gleichgesinnten teilte. Der Dateien besaß, auf denen Kinder und Jugendliche beim Geschlechts-, Oral- und Analverkehr mit Erwachsenen und untereinander sowie beim Einführen von „Fremdkörpern“ zu sehen sind. Wie ist ein Mann, dessen Videos eine Abspieldauer von mehreren Tagen haben und dessen Dateien als jüngstes Missbrauchsopfer ein etwa dreijähriges Mädchen zeigen?
So ein Mann sieht geradezu unscheinbar aus. Nicht stylish gepflegt, aber insgesamt eher unauffällig. Dunkle Brille, graues Haar, schwarzer Kapuzenpulli. Die Hände in die verwaschene Jeans gesteckt, lehnt er am Donnerstagmorgen mit dem Rücken an der Wand im Flur des Kasseler Amtsgerichts. Bei der Verhandlung im Saal D 112 vor dem Schöffengericht hält der 61-Jährige den Kopf meist gesenkt. Er zeigt sich reumütig und geständig.
Es tue ihm leid, er wisse im Nachhinein auch nicht, wie es dazu gekommen sei, sagt der gelernte Bürokaufmann, der sich als ledig, kinderlos und lange arbeitslos bezeichnet. Er habe erst Erwachsenenpornos getauscht. Da seien dann auch Kinderpornos dabei gewesen. „Da habe ich dann nach mehr gesucht.“
Der Kasseler ist bei seiner nachweislich von Februar 2015 bis November 2017 andauernden Suche fündig geworden. Als die Polizei im März 2018 überraschend vor seiner Tür steht und die Wohnung durchsucht, stellt sich heraus: Der Mann ist im Besitz von über 4400 kinderpornografischen Bild- und über 270 Videodateien. Weiter werden über 570 jugendpornografische Bilder und 50 Videos sichergestellt. Zudem mehr als 6400 kinderpornografische und 70 jugendpornografische Abbildungen in ausgedruckter Form. „Sie sind kein kleiner Fisch, sondern ein Hochkaräter“, meint dazu der Staatsanwalt.
Wie der Kasseler überhaupt zu den Dateien kam, erklärt ein IT-Forensiker, der das Material ausgewertet hat. Danach war der Kasseler im ganz normalen Internet unterwegs. Durch das Herunterladen eines Programmes habe er Zugang zu einem Netzwerk erhalten. Mit Suchbegriffen, die in Insiderkreisen bekannt seien, habe er dann nach einschlägigen Dateinamen suchen können und eine Liste mit Fotos und Videos zum kostenlosen Herunterladen erhalten. Das Prinzip der Tauschbörse, bei der es keinen zentralen Server gebe: Alles, was man selbst herunterlädt, stellt man automatisch Dritten zur Verfügung.
Der Sachverständige bescheinigt dem Kasseler einen lang anhaltenden Umgang mit der Tauschbörse. Rund drei Jahre habe er diese genutzt. Der Download mancher Videodatei habe bis zu fünf Stunden gedauert.
Da sich der Angeklagte geständig zeigt, wird auf die Vernehmung des Zeugen, eines an der Wohnungsdurchsuchung beteiligten Polizeibeamten, verzichtet. Nach Beweisaufnahme fordert die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Der Angeklagte profitiere von der alten Rechtslage, weil die Fälle lange zurückliegen. Heute würden diese nicht mehr als Vergehen eingestuft, sie hätten eine Gefängnisstrafe zur Folge. „Heute gilt: ein Bild, ein Jahr“, so der Staatsanwalt.
Das Schöffengericht schließt sich dieser Einschätzung an. Der Kasseler wird wegen Verbreitung und Verschaffung kinderpornografischer Schriften in 122 Fällen sowie wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornografischer Schriften zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt – auf dreijährige Bewährung. Für ihn spreche, dass er keine Vorstrafe habe und sich geständig gezeigt habe, begründet die Richterin. Vorteilhaft sei für ihn auch, dass sich das Verfahren wegen Corona verzögert hat.
Der Kasseler kommt und geht als freier Mann. „Leute wie Sie halten das System am Laufen“, gibt ihm die Richterin mit auf den Weg. Und: Hinter jedem seiner Bilder stecke das Schicksal eines Kindes, „das auf schlimmste Weise missbraucht wurde.“
Der 61-Jährige verzichtet auf Rechtsmittel, nimmt das Urteil an. Tragen muss er die Prozesskosten. Die Richterin beziffert diese auf fast 19 000 Euro – inklusive Sachverständigen-Gutachten. Zur Frage, wie er heute zu seinen Neigungen stehe, sagt der Kasseler: „Das ist alles vorbei. Ich habe nichts mehr. Wenn ich ein Kind auf der Straße sehe, macht mich das nicht an.“
(Andreas Hermann)