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Über 400 Medikamente fehlen: Lieferengpässe in Apotheken der Region nehmen zu

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Von: Anna-Laura Weyh

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Viele Schubladen in den Apotheken sind leer: Auch in Stadt und Landkreis Kassel fehlen Medikamente. In der Schublade in unserem Bild wird normalerweise Penicillin gelagert.
Viele Schubladen in den Apotheken sind leer: Auch in Stadt und Landkreis Kassel fehlen Medikamente. In der Schublade in unserem Bild wird normalerweise Penicillin gelagert. © maike lorenz

Die Lieferengpässe in den Apotheken der Region nehmen zu: Auch in Kassel fehlen mittlerweile viele Medikamente.

Kassel – Die Situation in den Apotheken verschärft sich weiter. Mehr als 400 Medikamente seien mittlerweile aufgrund von Lieferengpässen gar nicht mehr oder nur schwer zu beschaffen – auch in Kassel. „Wir sind in einer absoluten Chaosphase“, sagt Dennis Witt, der in Kassel die Palmen-Apotheke Brückenhof betreibt. Besonders Antibiotika-Säfte, Insulin und das Brustkrebs-Medikament Tamoxifen fehlen.

Nur mit viel Mühe und Zeit kommen Apotheken noch an die Arzneimittel heran. „Ich sitze nachts vor dem Computer und gucke, ob ein Großhändler doch wieder liefern kann“, sagt Witt. Seinen Kolleginnen und Kollegen gehe es genauso. „Wir sind in Gruppen vernetzt und helfen uns gegenseitig, um an die Medikamente zu kommen“, so der Apotheker.

Grund für die Lieferengpässe seien vor allem die Rabattverträge der Krankenkassen und der damit verbundene Preisdruck. „Die meisten Arzneimittel-Hersteller liefern nicht für die niedrigen Preise, die unsere Krankenkassen vorgeben. Übrig bleiben oft nur ein oder zwei Firmen, die die Nachfrage aber nicht allein stemmen können“, sagt Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes (HAV). Eigentlich dürfen Apotheken nur Medikamente von den Vertragsherstellern an ihre Kundinnen und Kunden ausgeben. Sonst bleiben sie eventuell auf ihren Kosten sitzen.

Apotheken kritisieren Gesetzesentwurf

Die Bundesregierung hat einen Entwurf für das Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen beschlossen. Es umfasst unter anderem gelockerte Preisregeln für Kinderarzneimittel sowie ein Frühwarnsystem, das Engpässe früher erkennen soll. In Kraft getreten ist das Gesetz bislang aber noch nicht. Apothekerverbände kritisieren den Entwurf: Mit diesen Ansätzen allein sei das Problem der Lieferengpässe nicht zu lösen.

Während der Pandemie waren die Apotheken flexibler: „Wir mussten die Leute nicht wegschicken, wenn es das Medikament nicht von der Firma gab, die mit ihrer Kasse einen Vertrag hat. Wir durften ihnen ein gleichwertiges Produkt von einer anderen Firma geben“, sagt Witt. Diese Regelung ist an Ostern ausgelaufen.

Sie soll zwar verlängert werden – in Berlin gibt es bereits einen Entwurf für das neue Lieferengpass-Gesetz –, in Kraft getreten ist aber noch nichts. „Wir befinden uns quasi in einer Grauzone“, so Kornelia Hellmuth von der Arnika-Apotheke in Schauenburg. Der Gesetzesentwurf sehe unter anderem auch einen Zuschlag von 50 Cent vor, wenn Apotheken ein gelistetes versorgungskritisches Medikament beschaffen. „Dieser Betrag ist ein Schlag ins Gesicht aller Apotheken“, sagt Seyfarth.

Insgesamt löse der Entwurf das Problem des Lieferengpasses nicht. „Es wird eher schlimmer werden“, sagt der HAV-Vorsitzende. Auch Kornelia Hellmuth ist sicher: „Es musste immer billig sein. Nun fehlen in Europa Produktionsstätten, Maschinen und Arbeitskräfte. Das ist nicht kurzfristig zu beheben.“

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