Ukraine-Konflikt: Flucht ist nicht mehr möglich - Frau aus Kassel bangt um ihre Familie

Die Kasselerin Iryna Höhmann war vor einem Monat selbst noch zu Besuch in der Ukraine. Jetzt sorgt sie sich um ihre Mutter, die dort lebt. Flucht ist nicht mehr möglich, sagt sie.
Kassel – Als wir vor gut einem Monat mit Iryna Höhmann gesprochen haben, war sie selbst noch zu Besuch bei ihrer Mutter in der Ukraine. Damals sagte sie: „Was genau passieren wird, das weiß nur der Russe.“ Trotzdem habe sie in den vergangenen Tagen gespürt, dass sich etwas Schlimmes anbahnt. Sie habe ihrer Mutter gesagt, dass sie versuchen soll, zu ihrer Großmutter aufs Land zu fahren oder zu ihr nach Deutschland zu kommen, aber dazu sei es jetzt zu spät.
„Jetzt kommt man nicht mehr weg“, sagt Iryna Höhmann, die mittlerweile zurück in Kassel ist. In der Nacht zu Donnerstag sind die russischen Truppen in der Ukraine einmarschiert. Am Freitag erreichten Bodentruppen die Hauptstadt Kiew und Putin forderte in einer Videobotschaft die ukrainische Armee zum Putsch auf.
Ukraine-Konflikt: Frau aus Kassel in Sorge um ihre Mutter
Mit ihrer Mutter steht die 33-Jährige über den Nachrichtendienst Whatsapp in ständigem Kontakt. Vom ukrainischen Militär sind alle Brücken nach Tschernihow, wo Höhmanns Verwandte leben, gesprengt worden, habe ihre Mutter berichtet. Vermutlich, damit die russischen Truppen länger brauchen, um in die Stadt zu gelangen.
„Während wir telefoniert haben, habe ich im Hintergrund Schüsse gehört“, erzählt Höhmann. „Alle haben große Angst und sich in den Kellern versteckt, nachdem sie von den Bombenangriffen in vielen Städten gehört haben.“ Freunde ihrer Mutter hätten noch versucht, mit dem Flugzeug das Land zu verlassen, aber sie wurden am Flughafen weggeschickt. Viele Ukrainer sind Patrioten. Sie sagen, sie bleiben und geben nicht auf, so Höhmanns Einschätzung. Im Notfall werde man dann eben um das Land kämpfen.

Ukraine-Konflikt: 92-jährige Großmutter lebt auf dem Land
Am Vormittag habe man kaum jemanden auf den Straßen gesehen, wie leer gefegt sei es gewesen, habe ihre Mutter Höhmann erzählt. Alle hätten sich mit Vorräten eingedeckt. Die Regale in den Supermärkten sind leergekauft. An den Tankstellen gibt es lange Schlangen. Auch ihre Mutter hat dort angestanden. Dabei seien Panzer und andere Militärfahrzeuge mit schwer bewaffneten Soldaten neben ihrem Auto hergefahren. Auf dem Land, wo ihre Großmutter lebe, sei es bislang noch ruhig. Höhmann hofft, dass dort niemand hinkommt. Nachbarn hätten ihre 92-jährige Oma mit Lebensmitteln versorgt. Auf dem Grundstück sei auch ein Brunnen. „Wir haben heute noch telefoniert, meiner Oma geht es bislang zum Glück gut“, sagt Iryna Höhmann.
Freunde und Bekannte in Deutschland sprechen ihr viel Mitgefühl aus. „Die Solidarität mit der Ukraine ist groß.“ Trotzdem glaubt Höhmann, dass es nicht lange dauern wird, bis „Putin sich die Ukraine unter den Nagel gerissen hat“. „Europa muss sich Gedanken machen. Putin wird sich mit der Ukraine nicht zufriedengeben.“ (Kathrin Meyer)
Auch in Kassel herrscht Fassungslosigkeit über den Krieg in der Ukraine: „Dieser Krieg wird für uns alle Folgen haben“, sind Reaktionen von Kasselern auf Putins Einmarsch.