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Wegen Ukraine-Krieg: Manche Kitas verbieten Waffen beim Kinderkarneval

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Von: Anna Lischper

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Elke Langhuth verkauft bei Galeria in Kassel Kostüme für Kinder und Erwachsene.
Elke Langhuth verkauft bei Galeria Kostüme für Kinder und Erwachsene. Während bei Erwachsenen dieses Jahr knallige Farben und humorvolle Verkleidung wie Früchte beliebt sind, schlüpfen Kinder weiterhin am liebsten in die Rolle von Polizei, Feuerwehr und Ninja. © Anna Lischper

Viele Kindergärten in Kassel werden auch von ukrainischen Kindern besucht. Kurz vor Karneval stellt sich die Frage: Sollte man wegen des Ukraine-Kriegs auf Spielzeugpistolen verzichten?

Kassel – „In unserer Kita sind auch Kinder, die gerade aus einem Krisengebiet gekommen sind. Wir möchten in dem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, dass die Kinder keine Spielzeugwaffen mitbringen, diese bleiben bitte zu Hause“, heißt es in dem Brief einer Kita, der vor Kurzem an die Eltern versandt wurde. Daneben der Hinweis, dass man auch sensibel mit der Kostümauswahl sein möge – hinsichtlich ethnischer oder religiöser Gruppen.

Polizei, Feuerwehr und Ninja – diese Kostüme gehen in der Kostümabteilung von Galeria auch dieses Jahr am besten. Elke Langhuth, die seit 17 Jahren im Haus arbeitet und sehr viel mit Kunden ins Gespräch kommt, berichtet von einer Skepsis der Eltern bezüglich Spielzeugwaffen. „Das ist aber kein neues Thema, das ist schon seit Jahren so.“ Auffällig sei in diesem Jahr allerdings, dass das Sortiment an Pistolen und anderen Spielzeugwaffen nur halb so groß ist wie in den Vorjahren. „Das mag schon mit dem Krieg zu tun haben und mit der vermuteten, geringeren Nachfrage.“ Bislang seien nicht viele dieser Accessoires verkauft worden – erfahrungsgemäß steige die Kaufkraft aber, wenn sich Karneval nähert.

Kaufen ja, mitbringen nein: In der Kita Fasanenhof, die Rosenmontag und Veilchendienstag feiere, gilt Waffenverbot – und zwar unabhängig von Kindern mit Fluchterfahrung und Karneval. „Wir sind grundsätzlich eine waffenfreie Zone. Alles, was aussieht wie eine Waffe, damit wird bei uns nicht gespielt“, sagt Carsten Rohrberg, der die Kita leitet. Dazu zähle er Pistolen genauso wie Macheten und Messer, aber auch Panzer seien nicht erlaubt. Wenn ein Kind dennoch ein solches Requisit mitbringe, dürfe es dieses kurz im Morgenkreis zeigen. „Dann verschwindet es aber wieder im Rucksack.“

Das komme übrigens auch mal außerhalb von Karneval vor. „Manche Kinder haben eine Faszination für Panzer.“ In dem Fall suche man das Gespräch. „Und wir hatten auch schon den Fall, dass ein Kind die scharfe Waffe seines Vaters mitgebracht hat, die es unter dem Sofa gefunden hatte“, berichtet Rohrberg.

Kinderkarneval feiert auch die Evangelische Familienbildungsstätte im Katharina-von-Bora-Haus. Deren Team möchte Spielzeugwaffen nicht verbieten. „Wir haben uns entschieden, kein Verbot auszusprechen“, sagt Leiterin Lena Kricheldorff. Kleine Kinder – Jungs wie Mädchen – wollten auch mit Waffen spielen. „Zu sagen, wir wollen keine Waffen sehen, ist nachvollziehbar. Aber ein Kind kann auch ein anderes Spielzeug zur Waffe umfunktionieren.“ Sollte unter den Gästen am Faschingssamstag jemand mit militärischer Ausrüstung sein oder eine Plastikpumpgun dabei haben, werde sie das allerdings nicht hinnehmen.

Das sagte eine ukrainische Mutter: Verkleidung mit Waffen nicht angebracht

„Schon vor diesem schrecklichen Krieg kaufte ich keine Waffen für meine Kinder und erlaubte anderen Kindern nicht, Waffen auf Kinder oder Tiere zu richten, auch nicht im Spiel“, sagt Svitlana Petrova. Die Ukrainerin ist Mutter eines siebenjährigen Sohnes und wohnt in einer Unterkunft für Geflüchtete in Kassel. „Ich glaube, dass das Spiel mit der Waffe von Kindheit an als normal wahrgenommen wird, wenn alle möglichen Spiele oder Computerspiele, in denen man tötet, das Kind daran gewöhnen, dass dies normal ist. Nein, es ist nicht normal zu töten, es ist nicht normal zu zerstören. Ich halte es für normal und richtig zu erschaffen, nicht zu zerstören. Das ist meine Meinung. Ich selbst mag Karneval und das Gestalten von Verkleidung sehr. Aber jetzt, wo der Krieg weitergeht, wäre Verkleidung mit Waffen als Accessoires nicht angebracht. Das Bild lässt sich gut ohne Waffen erstellen.“

„Damit rechne ich wegen unserer Besucherklientel aber eher nicht.“ Gewaltverherrlichung, sagt Kricheldorff, sei grundsätzlich ein Thema. Das löse man jedoch nicht, indem man an Fasching Spielzeugpistolen verbiete. „Das geht man im persönlichen Gespräch mit dem Kind an.“

Hilla Zavelberg-Simon, Leiterin des Fachdiensts Flüchtlingssozialdienst bei der Caritas Kassel hat viel mit geflüchteten Familien zu tun und sagt: „Ich vermute mal, dass eine Familie, die gerade aus Charkiw kommt, anders auf das Thema blickt, als eine Familie, die schon länger hier ist“. Sicherlich sei es abhängig von den persönlichen Erfahrungen der Flüchtlingskinder, wie sie verkleidete, und mit Spielzeugwaffen ausgestattete Kinder wahrnehmen.

Fabian Geitz, Leiter der Flüchtlingsunterkunft in der Jägerkaserne, merkt an, dass diese Weise der Rücksichtnahme längst ein Thema hätte sein können. „Es gibt ja nicht erst seit letztem Jahr Krieg auf der Welt. Schon vorher kamen Geflüchtete aus anderen Ländern an, auf die man hätte Rücksicht nehmen können.“

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