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Eine Freundschaft über Kriegslinien: Kasseler Netzwerk unterstützt ukrainische Gemeinde

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Von: Alina Andraczek

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Der Lkw wird beladen.
Die Freien evangelischen Gemeinden Kassel-Ost und Kassel-Wilhelmshöhe haben ihre Partnergemeinde in Uzghorod in der Ukraine mit Sachspenden unterstützt. Hier wird der Lkw beladen. © Privat

Viele Menschen wollen aktuell die Menschen in der Ukraine unterstützen. Ein Kasseler Netzwerk weiß, wie es richtig geht: Mit Planung, Vernetzung und Vertrauen.

Kassel – Mitten in der Nacht auf Donnerstag, den 17. März, wurde Martin Mittelbach angerufen, aus einem Bus heraus: „In einer Stunde sind wir da.“ An Bord des Busses waren ukrainische Familien, die Mittelbach und die Helfer der Freien evangelischen Gemeinden (Feg) in Kassel empfangen sollten. „Wir haben uns zu viert getroffen und erstmal Brote geschmiert“, sagt Mittelbach. Der Geschäftsführer des Seniorenzentrums Wolfhagen ist seit einigen Wochen „in zweiter Beschäftigung Leiter der Taskforce Ukraine“, wie er sagt.

Partnerschaft seit über 30 Jahren

Begonnen hat alles mit der Partnerschaft der Feg Kassel-Ost und der Feg Kassel-Wilhelmshöhe mit einer christlichen Gemeinde in der ukrainischen Stadt Uzghorod. Seit über 30 Jahren unterstützen die Kasseler ein medizinisches Zentrum dort. „Am Anfang haben wir Medikamente und medizinische Geräte mitgenommen“, sagt Wichard Zimmermann. Der Krankenpfleger leitet den Arbeitskreise Ukraine und reist selbst seit 2000 in das Land. „Zum Schluss ging es hauptsächlich um finanzielle Hilfe.“

In Uzghorod kommen viele Binnenflüchtlinge an

Seit Kriegsbeginn ist die Situation in der 117 000-Einwohner-Stadt Uzghorod eine andere. Der Krieg sei dort noch nicht angekommen, stattdessen aber Tausende Flüchtlinge, weil die Stadt nah an der Grenze liegt. Die meisten Mitglieder der christlichen Partnergemeinde in Uzghorod hätten Schutzsuchende bei sich untergebracht. Die Versorgung sei schlecht.

Christliche Gemeinde möchte vor Ort helfen

Eigentlich wollten die Kasseler ihre ukrainischen Freunde aus dem Land holen. Innerhalb von zwei Tagen hatten sie 160 Plätze organisiert. „Dann wollten sie aber da bleiben und vor Ort selber mithelfen“, erzählt Wichard Zimmermann. Die Ukrainer erzählten in Video-Telefonaten, was sie brauchten – und die Kasseler planten einen Hilfstransport. „Wir haben gemerkt, wir müssen vom Aktionismus in planbare Handlungen übergehen“, sagt Martin Mittelbach. Schnell sei das Netzwerk der Helfer bemüht worden: eine Schule in Vellmar, ein Seniorenzentrum in Gudensberg, drei Apotheken, die Agaplesion Kliniken, das Elisabeth-Krankenhaus, sie alle haben gespendet.

22 Tonnen Grundnahrungsmittel und Hilfsgüter

Als der Lkw am 17. März für die Tour nach Uzghorod beladen wurde, waren 22 Tonnen Grundnahrungsmittel und Hilfsgüter an Bord. Was an Stauraum übrig war, wurde mit Rollstühlen, Rollatoren und Unterarmgehstützen aufgefüllt. Fast gleichzeitig kamen die Busse mit jenen in Kassel an, die dann doch das Kriegsgebiet verlassen haben – auch sie vermittelt durch Kontakte.

Überhaupt funktioniert die Ukrainehilfe nur durch persönliche Kontakte, sagt Wichard Zimmermann. In der Ukraine habe es immer viel Korruption gegeben, Hilfsgüter seien verloren gegangen. Sie hätten daher eng mit den Partnern zusammengearbeitet. „Das ist die Basis für diese schnelle Hilfe“ sagt Wichard Zimmermann, „dass man sich im Prinzip blind vertraut.“

Auch Kasseler Ärztin unterstützt die Gemeinde

Viele hat das Schicksal der Menschen in Uzghorod persönlich bewegt, wie die Kasselerin Wagma Mehlhorn. Sie wurde nach dem Angriff Russlands Teil des Arbeitskreises Ukraine. Mehlhorn ist stellvertretende Leiterin der zentralen Notaufnahme im Elisabeth-Krankenhaus.

Wagma Mehlhorn
Wagma Mehlhorn © Alina Andraczek

Die Situation der Geflüchteten kann sie nachfühlen. Mehlhorn ist in Kabul geboren, 1990 kam sie selbst als Kriegsflüchtling mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern nach Deutschland. An das Land, das sich seit Machtübernahme der Taliban in einer andauernden humanitären Krise befindet, denkt sie auch heute. „Ich wünsche mir, dass Afghanistan nicht vergessen wird“, so Mehlhorn.

„Wir haben das alles auch durchgemacht“

Sie werde oft gefragt, warum die große Solidarität nicht auch bei anderen Flüchtlingskrisen gelebt wurde. Aber: „Genau hier machen viele Menschen mit Migrationshintergrund keinen Unterschied und unterstützen die Geflüchteten aus der Ukraine, weil wir das alles auch durchgemacht haben.“

So erinnert sich Mehlhorn noch heute, wie sie in einem Bus zur Flüchtlingsunterkunft im kleinen Ort Hergetsfeld saß: „Eine Reise in eine ungewisse Zukunft mit vielen Hürden, die nur mit Unterstützung und Begleitung vieler möglich war“, sagt Mehlhorn. Eben die will sie den Ukrainern zukommen lassen und bat auch im Krankenhaus um Unterstützung.

Krankenhaus half mit

„Viele kamen auf mich zu und haben gefragt, wie es den Leuten in der Ukraine geht“, sagt Mehlhorn. „Sie wussten, die warten auf diese Güter.“ Sogar die Geschäftsführung habe Medikamente zur Verfügung gestellt. „Das war gigantisch.“

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