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Kasseler Studenten wollen die Stadt gendersensibel gestalten

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Von: Alina Andraczek

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Freiraum für alle Generationen ist das Ziel: Henriette Bertram (von links) und die Studentinnen Sarah Densing, Ariana Nehrmann und Janne Steinkamp am Spielplatz am Wäldchen im Kasseler Stadtteil Jungfernkopf.
Freiraum für alle Generationen ist das Ziel: Henriette Bertram (von links) und die Studentinnen Sarah Densing, Ariana Nehrmann und Janne Steinkamp am Spielplatz am Wäldchen im Kasseler Stadtteil Jungfernkopf. © Alina Andraczek

Eine Stadt, in der sich alle wohlfühlen: Dafür haben Studierende der Uni Kassel Ideen entwickelt. Das sogenannte Gender Mainstreaming ist eigentlich vorgeschrieben - aber noch lange nicht überall umgesetzt.

Ein weitläufiger Spielplatz, umstanden von Bäumen, hoch über dem Quartier. Was attraktiv aussieht, ist für die Jugend im Kasseler Stadtteil Jungfernkopf nicht ausreichend. „Die Kinder zwischen sechs und elf Jahren haben gesagt, dass viele Angebote für die ganz Kleinen und ihnen zu langweilig sind“, sagt Ariana Nehrmann. Die 24-Jährige studiert Stadt- und Regionalplanung an der Uni Kassel und hat die jungen Bewohner des Stadtteils gefragt, was ihnen gefällt und was nicht. Am Spielplatz sind das etwa fehlende Sitzmöglichkeiten und Toiletten, die Lage auf dem Berg und auch die Spielgeräte selbst. „Man sollte bedenken, dass Kinder in verschiedenen Entwicklungsstufen sind“, sagt Nehrmann: „Sechsjährige haben andere Bedürfnisse als Elfjährige.“

Studierende haben Heft für gendersensibles Planen und Bauen erstellt

Wie die Bedürfnisse aller gesellschaftlichen Gruppen in der Stadtplanung berücksichtigt werden können, damit haben sich Nehrmann und ihre Kommilitonen in einem Seminar beschäftigt. Unter der Leitung von Dr. Henriette Bertram und Dr. Wiebke Reinert vom Fachgebiet Stadterneuerung und Planungstheorie haben die Studierenden ein rund 350-seitiges Heft über gendersensibles Planen und Bauen erstellt. Dabei geht es um eine gerechtere Stadt für alle.

Nicht familiengerecht: Die Abbildung aus Kirchditmold zeigt, woran es noch mangelt.
Nicht familiengerecht: Die Abbildung aus Kirchditmold zeigt, woran es noch mangelt. © Charlie Bosch, Emily Georg

Gendergerechte Planung denkt alle gesellschaftlichen Gruppen mit

„Der Ausgangspunkt gendergerechter Planung ist die Feststellung, dass lange Zeit geplant wurde für Menschen, die keine körperlichen Einschränkungen haben, voll erwerbstätig sind, vor allem Arbeitswege fahren und keine Sorgearbeit erledigen“, sagt Bertram. Das zeige sich im Stadtbild: „Ab einem Alter von zehn bis elf Jahren merkt man, dass Mädchen sich zurückziehen aus dem öffentlichen Raum“, sagt die Dozentin. Dieser sei oft nicht auf ihre Bedürfnisse abgestimmt: Mädchen bräuchten Studien zufolge eher vielfältige Spiel- und Sportangebote, mehr Sauberkeit und vor allem öffentliche Toiletten. Ähnlich würden die Bedürfnisse anderer Stadtbewohner vergessen, so Bertram – etwa von Menschen, die Kinder oder Pflegebedürftige versorgen oder die aus anderen Gründen nicht erwerbstätig sind.

Fünf Kasseler Stadtteile analysiert

In ihrem Projekt haben die Studierenden fünf Kasseler Stadtteile (Waldau, Süsterfeld-Helleböhn, Jungfernkopf, Kirchditmold und Harleshausen) in den Blick genommen und konkrete Verbesserungen vorgeschlagen. So hat eine Arbeitsgruppe erforscht, wie Süsterfeld-Helleböhn noch besser an die Bedürfnisse von Alleinerziehenden angepasst werden könnte. „Wir haben uns Statistiken angesehen und festgestellt, dass hier innerhalb Kassels die meisten alleinerziehenden Eltern wohnen“, sagt Sarah Densing (26).

Studierende haben Alleinerziehende in Süsterfeld-Helleböhn befragt

Ihre Vorschläge haben die Studierenden aus der Theorie und im Gespräch mit Alleinerziehenden entwickelt. „Es gibt zwar ein paar feste Kriterien“, sagt Densing, „aber man muss auch überlegen, was die Menschen vor Ort konkret brauchen.“ Das könnten mehr Informationen zu öffentlichen Angeboten sein wie in Süsterfeld-Helleböhn oder mehr Räume für Jugendliche wie am Jungfernkopf. Ihre Vorschläge, die zum Teil einfach umsetzbar sind, hat die Gruppe bereits in den Ortsbeiräten vorgestellt.

Wichtig: Erreichbarkeit, Sicherheit, Barrierefreiheit, Vielfältigkeit

Für eine gerechtere Stadt sei keine komplett andere Planung, sondern eine andere Perspektive nötig, sagt Henriette Bertram. „Oft reicht es, wenn man mit Erreichbarkeit, Sicherheit, Barrierefreiheit, Vielfältigkeit der Nutzungsmöglichkeiten anfängt“, sagt die Wissenschaftlerin. „Das ist eigentlich nicht schwierig, und schon macht man es für viele Menschen einfacher.“

Schlagwort: Gender Planning

1996 verpflichtete sich die Europäische Union zu „Gender Mainstreaming“, also der Gleichstellung von Mann und Frau in allen politischen Bereichen – auch der Stadtplanung. Beim sogenannten Gender Planning geht es heute nicht nur um Frauen. Die Stadtplaner wollen die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Bewohner mitdenken: Rollstuhlfahrer brauchen breitere Gehwege, Menschen mit Kinderwagen abgesenkte Bordsteine, Frauen mehr Beleuchtung in Parks und Jugendliche eigene Räume. 

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